Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
armes Luder.«
»Vorhin, als Sie geschrien haben, hatten Sie sie da gerade entdeckt?«
»Ja. Sie sind von der Wasserpolizei, was?«
»Ja. Wie heißen Sie?«
Sie zögerte nur einen Augenblick. Solange dieses Ding greifbar nahe neben ihr auf den Holzplanken lag, war es vielleicht gar nicht so schlimm wie sonst, die Polizei bei sich zu haben.
»Ruby Jones«, sagte sie.
»Wo wohnen Sie, Mrs Jones?«, setzte Monk nach. »Und die Wahrheit bitte. Sie wollen doch nicht, dass wir Sie suchen kommen und überall am Fluss Ihren Namen verbreiten.«
Ein Blick in seine Augen verriet ihr, dass er es ernst meinte. »Northey Street«, antwortete sie. »Hinter dem Armenhaus.«
»Schauen Sie sich die Frau bitte noch einmal an.« Seine Stimme wurde sanfter. »Konzentrieren Sie sich auf das Gesicht. Das sieht nicht so entsetzlich aus. Vom Rest können Sie die Augen abwenden. Denken Sie darüber nach, ob Sie sie vielleicht doch schon einmal gesehen haben.«
»Nein! Ich kenn Sie nich’!«, wiederholte sie. »Noch mal schau ich mir das da bestimmt nich’ an! Sonst krieg ich den Anblick mein Leben lang nich’ mehr aus dem Kopf!«
Monk widersprach ihr nicht.
»Sind Sie zufällig hierhergekommen, oder haben Sie an dieser Stelle eine Weile gewartet und vielleicht nach Ihrem Mann gerufen?«
»Ich war auf der Suche nach ihm, als ich das da entdeckt hab. Wie lange, glauben Sie, steh ich wohl hier mit diesem Ding neben mir rum, hm?«
Er nickte zustimmend. »Nicht lange. Können Sie allein nach Hause gehen, Mrs Jones?«
»Ja.« Sie entriss sich seinem Griff mit einer ruckartigen Bewegung. »Doch, ja!« Dann holte sie tief Luft und warf doch noch einen Blick auf die Tote. Einen Moment lang wich das Grauen in ihrem Gesicht einem Ausdruck von Mitgefühl. »Armes Luder«, wiederholte sie flüsternd.
Monk ließ sie gehen und wandte sich wieder zu Orme um. Gemeinsam kehrten sie unter der rasch höher steigenden Sonne zu derToten zurück. Vorsichtig berührte Monk sie am Gesicht. Die Haut war bereits kalt. Seine Hände wanderten zur Schulter und tasteten unter dem Saum ihres Kleides nach Spuren von Wärme. Nichts war zu spüren. Wahrscheinlich hatte sie schon die ganze Nacht tot dagelegen.
Orme half ihm dabei, sie auf den Rücken zu drehen, womit sie den aufgeschlitzten Bauch mitsamt den herausgequollenen Eingeweiden bloßlegten – eine mit Blut durchsetzte, schleimige Masse.
Orme stieß einen Entsetzensschrei aus. Obwohl er den Anblick von Leichen gewohnt war, taumelte er zurück. Er wusste, was die Zeit und Raubtiere anrichten konnten, aber diese barbarische Verstümmelung war von Menschenhand angerichtet worden, und er war zu erschüttert, um seine Gefühle verbergen zu können. Er hustete und verschluckte sich an seinem eigenen Atem. Ohne zu überlegen, beugte er sich über die Tote und zog ihr die Kleider über die entblößten Stellen – eine sinnlose Geste, aber er tat es einfach. »Wir sollten wohl besser den Polizeichirurgen und die örtliche Wache alarmieren«, krächzte er.
Monk nickte benommen. Einen Moment lang fühlte er sich wie gelähmt. Der Fluss, mit dem er so vertraut war, erschien ihm jäh kalt und fremd. Im grellen Licht der Morgendämmerung, das alle Proportionen verzerrte, türmten sich gewohnte Gebilde wie Werften oder aus dem Wasser ragende Holzpfähle mit einem Mal bedrohlich vor ihm auf.
»Wir haben sie auf dem Steg entdeckt«, sagte Orme mit kläglicher Miene. »Das bedeutet, dass wir für sie zuständig sind. Aber die städtische Polizei weiß womöglich, wer sie ist. Armes Ding. Vielleicht handelt es sich um eine Familientragödie. Wenn sie allerdings eine örtliche Prostituierte ist, haben wir es mit einem Geisteskranken zu tun.«
»Glauben Sie denn, dass ein zurechnungsfähiger Mann seiner Frau so etwas antun kann?«, fragte Monk ungläubig.
Orme schüttelte den Kopf. »Wer weiß? Manchmal meine ich, dass Hass noch schlimmer ist als Wahnsinn. Zur Polizeiwache geht es dort drüben die Straße hinauf.« Er deutete hinüber. »Wenn Sie wollen, bleibe ich bei ihr, während Sie die Kollegen holen, Sir.«
Ein solches Vorgehen war durchaus vernünftig, zumal Monk den bei Weitem höheren Rang bekleidete. Gleichwohl war er Orme dankbar und sagte ihm das auch. Er hatte nicht den geringsten Wunsch, auf dem Steg zurückzubleiben, wo einem der eisige Wind bis in die Knochen fuhr, und über dieser grausigen Leiche Wache zu halten.
»Danke. Ich bin so schnell zurück, wie ich kann.« Eilig lief er zum Ufer und
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