Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
wirklich
kühl, gleich werde ich auf stehen und so tun, als ob ich gar nicht auf den
Gedanken käme, man könne nach Biarritz auch zu Fuß gehen. Der Wagen soll
Vorfahren.
    In Biarritz hängt vor einer
erleuchteten Scheibe das Bild van Dongens, das er von Yvonne George gemalt hat,
der Diseuse. Soll ich noch...? Aber der Manager, der herausgestürzt kommt, ist
derartig beflissen und das Lokal derartig leer, daß es wohl ein Reinfall werden
würde, und so wollen wir denn lieber nach Hause fahren.
    Geld — ?
    Erfolgreiche Prokuristen
pflegen mit einer Stimme zu sprechen, die nach gebratenen Gänsegrieben
schmeckt, etwas Geld ist scheußlich. Viel Geld ist schön. Und bis in den Schlaf
verfolgt mich der müde, völlig gleichmütige, ausgeglichene Blick des blauen Augapfels
mit den schweren Augenlidern: das Gesicht der wahrhaft reichen Leute.
     
     

Zwei Klöster
     
    Das ist meine erste Begegnung
mit den Pyrenäen:
    Hinter mir die glatte, große,
geteerte Automobilstraße, die von Biarritz nach San Sebastian führt, mm
schlängelt sie sich ans Meer, und links, im Osten, liegen die blauen Berge: die
Pyrenäen. Sie sind nicht allzu hoch — ihre Linien sind sanft geschwungen, der
scharfe Grat ist hier selten, und alle Kuppen sind rund. Es ist wie erstarrte
Musik in diesen Höhenzügen. Bei Hendaye stoßen die letzten Ausläufer fast ans
Meer. Wir fahren an der Küste entlang.
    ‹Côte d’Argent› ist ein guter
Name für sie — die Wellen blitzen silberweiß. Rechts fällt die Küste steil ab,
im Geröll suchen Männer nach Vogeleiern. Links stehen die ersten Felsen, nicht
sehr majestätisch, aber für eine Anfangsbegrüßung Felsen genug. Der Wagen
schnurrt um die Kurven. Wir fahren nach Spanien — zum Kloster des Ignatius von
Loyola.
    Vorläufig am Wasser entlang,
immer am Wasser, und manchmal bremst der Chauffeur und erklärt uns die
Landschaft. Wir rollen durch Saint-Jean-de-Luz und dann durch Hendaye, wo
Pierre Loti gestorben ist, wo Unamuno zum großen Ärger der Spanier wohnt und
Claude Farrere sich ein Haus bauen läßt — und das da: das ist der
Bidassoa-Fluß, die Grenze. Nächtlich, an der Bidassoa lispeln... ich weiß
schon: es hat anderswo gelispelt. Aber dies ist auch sehr schön.
    Zollwächter, Gendarmen, Pässe,
Hände an den Mützen, bitte sehr, danke sehr, Grenzpfahl, dasselbe auf der
andern Seite: Spanien. Guten Tag.
    Wie Balkons ein Straßenbild
verändern! Fuentarabia, als pittoresk gepriesen, aber so leid es mir tut:
blitzsaubere Straßen. Wie ich überhaupt auf allen meinen Reisen durch den Süden
Frankreichs nicht habe finden können, daß das Geschrei von dem «verlodderten
Süden» heute noch seine Richtigkeit hat. Marseille riecht um den alten Hafen
herum wie eine Sardinenschachtel, das ist wahr, und in den engen Gassen hinter
der Cannebiere wird man kaum eine Wohnung mit allem Komfort finden. Aber die
kleinen Städte im Midi, die südlichen Städte, die ich hier in den Pyrenäen
gesehen habe, sind nicht schmutziger und nicht sauberer als jede kleine
deutsche Stadt.
    Vor Zumaya, da, wo die Route
das Meer verläßt, um nach Süden zum Kloster abzubiegen, begegneten wir einer
eleganten Limousine. «Das wird er sein!» sagte der Chauffeur unvermittelt.
«Wer?» fragte ich. Es war, wenn ihn nicht alles täuschte, ein großer spanischer
Tenor aus Madrid, der grade in San Sebastian gastierte. Er hatte ihn gehört.
Und im Klappern des Viertaktmotors sang er ein paar schöne Stellen von Verdi,
und nur in den Kurven legte er kleine Pausen ein. Anch’io sono pittore —! Er
hätte eine schöne Stimme, teilte er mit, aber leider, leider fehle es ihm an
Geld, sie auszubilden. Denn was jener Tenor heute sei, das vermesse er sich in
spätestens zwei Jahren auch zu werden! Und so chauffiere er denn an der
Unsterblichkeit vorbei, die Bremsen unter den Füßen, das Steuer in der Hand und
eine unerfüllte Künstlersehnsucht im Herzen.
    Der Tenor besuche übrigens
wahrscheinlich Zuloaga, und er zeigte mir dessen große Villa im Grünen. Da
malte er nun.
    Jetzt bot die Landschaft nichts
Bemerkenswertes, und der Chauffeur wurde gesprächig. Zigeuner zogen an uns
vorbei, und er stellte fest, daß diese ‹bohémiens› aus der Bohème kämen, also
aus Böhmen. Das war mir neu. Und dann sprachen wir über die Spanier und über
das Elend, das den kleinen Mann bedrückte — in der Tat begegneten uns hier, wie
überall auf den spanischen Grenzfahrten, die ich gemacht habe, Gendarmen,
Pfaffen, Pfaffen und

Weitere Kostenlose Bücher