Ein Pyrenäenbuch
Gendarmen, Gendarmen und Pfaffen. Hier wären alle Leute
katholisch, sagte der Chauffeur. Zum Beispiel Protestanten, die gäbe es gar
nicht. Die Protestanten hätten aber auch ihre Geistlichen, sagte er, man nenne
sie Rabbiner. Ich erwiderte schonend, daß es auch Protestanten gäbe, die
Pfarrer ihr eigen nennen — und das glaubte er schließlich. Und wir fuhren und
fuhren.
Nach ein paar Stunden öffnen
sich die Berge, ein Tal erscheint, der Wagen rollt auf einer breiten
Zufahrtsstraße grade auf das Kloster zu. Mir bleibt das Herz stehen.
Die Basilika mit der hohen
Kuppel ragt auf, zwischen grauen Fronten, rechts und links mit vielen
holzverschlossenen Fenstern. Sie ladet den Weg ein, in ihren runden Portalen zu
münden — er tut es. Weiter hinten, rechts der Chaussee, liegen die
Seminargebäude für die hundertfünfzig Novizen der Jesuiten, die hier
untergebracht sind — mit diesen Häusern stehen die Basilika und das Heilige
Haus des Ignatius ganz allein in den Bergen. Das Tal rundum ist still; hier in
den Bergen werden die schwarzen Eier ausgebrütet. Das große Haus, mit der
Kirche und den paar Nebengebäuden — von hier ist die spanische Welt regiert
worden, von hier wird auch heute noch so viel leise Regierung vorbereitet...
Der Ordensgründer hatte gewußt,
was er tat. Die verblüffende Ähnlichkeit seiner geistlichen Übungen mit denen
der Yogis ist längst aufgedeckt — es ist in der Sache wohl kaum ein
Unterschied. Was das Militär aller Länder mit roher Gewalt versucht und nie zu
Ende geführt hat, hier ist es mit der glänzendsten Geschmeidigkeit gelungen:
Menschen ergreifen, umformen, in den Zustand der Halblähmung bringen, um dann
aus den Geschwächten die größte Stärke herauszuholen.
Innen gleißt es vor Gold. Der
Fußboden ist aus gehämmertem Silber, die Truhen und Altäre aus allem edeln
Material zusammen, das es überhaupt gibt: Gold und Silber und Halbedelsteine
und Alabaster und Marmor... Aber wie ist das gemeistert! An keiner Stelle
schreit die Kostbarkeit — alles dient, scheinbar demütig, Gott.
Man darf sich einen Hausflügel
ansehen. Und während wir in dem breiten, dunkelgetäfelten Treppenhaus
umhergehen, dringt Stimmengewirr an mein Ohr. Vielleicht kann man hier nicht
eintreten? Der spanische Führer macht eine einladende Kopfbewegung. Da beten
die Jesuiten.
Im dunkeln Halblicht des grauen
Nachmittags sehe ich:
Den, der die Gebetsübung
leitet, ein wundervoll feiner Kopf mit goldner Brille, schmallippig, mit grauen
Augen. Ein andrer steht daneben. Die kleine Kapelle ist durch ein Gitter
abgeteilt, da drinnen sitzen sie, die schwarzen Soutanen auf Dunkelbraun. Ich
darf in einen kleinen Nebenraum treten, er hat einen hellen Teppich und ein
kleines Fensterchen, das zur Kapelle führt. Davor kniet, aus irgendeinem Grunde
von den andern ausgeschlossen, ein junger Novize, ein schöner, schwarzer Mensch
von vielleicht zwanzig Jahren. Sein Gewand hat sich auf den Boden gebreitet.
Ich stehe bewegungslos. Und lausche.
Die Stimme des Leiters hebt
sich klar heraus. Aber was ist jenes andre? Es rollt, es kehrt wieder, ich kann
nicht verstehen. Es sind offenbar viele Männerstimmen — und da sehe ich im
Hintergrund der Kapelle zehn oder fünfzehn Novizen, die den Chor bilden. Jetzt
höre ich: «Ora pro nobis — ora pro nobis — ora pro nobis —. ora pro nobis —»
Es hat mich. Es kehrt immer
wieder, und da die Wiederholung die einzig wirklich künstlerische Form ist, die
es überhaupt gibt, was Buddha und sein genialer Übersetzer Neumann gewußt
haben, weil das Ohr nach dem achten Mal nichts mehr zum Gehirn leitet, sondern
eine feine Erschlaffung die Nerven befällt, so dringt das Gift in alle Poren
ein. Durch Wiederholung wird das Wort fremd und kehrt verwandelt wieder. Welche
wundervollen Handbewegungen! welche Köpfe! welche Summe von Charakter,
Intelligenz, Wissen, Geistigkeit! Der Schmuck an den Wänden glänzt matt, weiche
Teppiche dämpfen den Schritt — ich habe nie so elegant beten sehen.
Und plötzlich weht mich etwas
an, eine lange Satzfolge — Worte... «Spinnfabrik — Vorarbeiter...» Ich habe
später nachgesehen, was es war. Es war eine Seite des großen Oskar Panizza:
gestorben, verdorben; die Bücher verboten, in alle Welt verstreut, vergriffen,
das Wichtigste nie wieder aufgelegt... Es war die Seite über das Gebet. Hier
ist sie:
«Auf einer meiner Reisen kam
ich eines Tages in einer wundersamen Gegend, in Tirol, in eine Dorfkirche. Sie
war edel und
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