Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
Tolle Idee, obwohl sie verkaufstechnisch wirklich kein großer Hit war, sehr zu seiner Überraschung, leider!
Fuzzy Jones war zwar keiner aus der Klinik, aber auch so ein gestrandetes Freakexemplar von der Straße. Er schleppte immer zwei Alditüten mit sich rum, in denen Hamburgerpapierchen klitzeklein zusammengefaltet waren. Was er damit angefangen hat, weiß ich bis heute nicht, komischerweise hat ihn auch nie einer von uns danach gefragt. Ein anderes Verwirrtenexemplar hatte sich ein Stromkabel um die Hand gewickelt und lief permanent damit durch die Gegend. Warum, wusste ich auch nicht, aber es war bestimmt sehr wichtig. Das Beste war allerdings, dass der mit dem Stromkabel behauptete, dass der andere mit seinen Hamburgertüten »sie ja wohl nicht alle auf dem Baum« hätte und »komplett neben der Spur« wäre! Herrlich verrückt, wie heißt es doch immer so schön: Selig sind die Bekloppten, denn sie brauchen keinen Hammer!
Zu der Zeit wohnte ich im Hinterhof auf der Alteburgerstraße, dort bin ich nach meinem WG -Desaster hingeflüchtet. Die WG war echt nichts für mich, denn die Typen, die ich abends als Letzte aus dem Out rausgeschmissen hatte, traf ich dann dank meiner liebreizenden und fürsorglichen Mitbewohnerin schon morgens wieder komplett verdengelt am Frühstückstisch wieder. Darauf konnte ich echt sehr gut verzichten, das braucht man ungefähr so dringend wie ein Stück Schokolade im Hintern. Als ich dann noch zu allem Überdruss mehrfach meine Lieblingsklamotten auf der Straße traf, nur mit anderen Leuten drin, hatte ich die Nase gestrichen voll und suchte mir eine eigene, kleine Wohnung in der Südstadt. Der gute Fuzzy Jones lebte, wie schon erwähnt, auf der Straße, und im Winter habe ich nachts oft die Haustüre angelehnt, damit Fuzzy reinkommen konnte. Von meinem Hinterhof gab es eine kleine Treppe zum Keller, der noch einen Vorraum hatte, und deswegen war es dort nicht so erbärmlich kalt. Ich hatte noch ein altes Sofa hingestellt, Fuzzy brachte dann sogar irgendwann noch eine alte Stehlampe mit und konnte dort wenigstens »in seiner Bude« trocken schlafen. Wahrscheinlich nannte er mich deshalb immer »Lady«, glaube ich! Er hat mir auch mal aus der Hand gelesen und »gesehen«, dass ich mal im Rollstuhl sitzen würde. Damals war ich erst mal völlig geschockt, logischerweise, aber ich habe es natürlich abgetan als das verrückte Geschwafel eines armen Kerls. Wer hätte geahnt, dass Fuzzys Prophezeiung einmal wahr werden würde? Ich nicht, aber ich sage es ja: Man weiß nie nichts und das auch auf keinen Fall sehr genau. Jawoll.
Was für eine chaotische Zeit! Heute frage ich mich oft, wann ich eigentlich geschlafen habe damals, denn nach dem Feierabend im Out sind wir dann meistens noch durch die Südstadt getigert und haben geguckt, wo noch was »auf und los« war, und dann ging es oft bis zum Morgengrauen einfach weiter.
So verbrachte ich in den nächsten zehn Jahren meine Zeit in der Südstadt, und während ich gerade so darüber nachdenke, fällt mir komischerweise ein, dass ich in den Wintermonaten meistens kein Tageslicht gesehen habe, weil es vor der Arbeit meistens schon dunkel war und hinterher sowieso. Komischer Aspekt. Da habe ich vor 30 Jahren überhaupt keinen Gedanken dran verschwendet, heute fände ich es unerträglich. Da hat der Herr Dylan schon das passende Lied zu gedichtet: »The times they are a-changin’«! Manchmal bin ich nach der nächtlichen Kneipentour direkt in die schon geöffnete, gegenüberliegende Bäckerei, um frische Brötchen zu holen. Durch den verbliebenen Restalkohol in meiner Blutbahn hat es sich manchmal ergeben, dass mir in der bereits überfüllten Bäckerei, neben adrett gekleideten Chefsekretärinnen das Portemonnaie aus der Hand fiel und ich niederknien musste, um mein herumrollendes Kleingeld aufzuheben. Das war nicht so schön, wenn die aufgetakelten Dämlichkeiten herablassend auf mich runterblickten. Da fühlte ich mich etwas aschenpuddelig, rettete mich aber, indem ich mir dachte: So, Fräulein Nasehoch, ihr müsst jetzt stundenlang im Büro sitzen, und ich geh jetzt erst mal lecker inne Poofe! Alles hat eben Vor- und Nachteile. Leider hatte ich sehr viel mit finanziellen Nachteilen zu tun, und es graute mir vor etlichen Mistrechnungen, von denen ich mal gar nicht wusste, wie ich die stemmen sollte! Die liebe Nebenkostenabrechnung zum Beispiel spülte sehr viel Kohle aus meiner Täsch, und ich entschloss mich
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