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Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
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Et kütt wie et kütt, und ich wäre nicht die Köster geworden ohne den Wahnsinn in dieser wahnsinnigen Kneipenzeit. Mein loses Mundwerk wurde in dieser Zeit natürlich auch bestens geschult, denn wenn du nicht für alle Begebenheiten einen guten Konterspruch hattest, konntest du gleich einpacken. Zechpreller, wütende Taxifahrer, aufdringliche Machodreibeiner, abgestürzte und verlassene Ehemänner und die Ultrabesoffkis, die nicht gehen wollten – für alle musste man den richtigen Code finden. Frech, aber nicht unverschämt. Unverschämt, aber nicht bösartig. Resolut, aber nicht verletzend. Witzig, aber nicht beleidigend und verhöhnend. Der Grat, auf dem ich mich da bewegt habe, war oft auch schmal und sehr gefährlich, denn der alkoholisierte Mensch ist so schwer einzuschätzen wie Käpt’n Ahab beim Gummitwist. Und wenn so ein drietendicker, vollgelaufener, zwei Zentner schwerer Kernasi auf Krawall gebürstet war, dann passte man besser auf, dass Herrn Silberrücken nicht die Sicherungen rausflogen. Was war das für eine pikloppte Zeit. Stürzen wir uns also gemeinsam kopfüber hinein in den verrückten, unglaublichen, kneipennikotinluftgeschwängerten Erinnerungsnebel der Südstadt.
     
    Anfang der achtziger Jahre habe ich mich zwar sehr ernsthaft mit vielen Dingen beschäftigt, die mir unbändigen Spaß gemacht haben, von denen ich aber leider nicht leben konnte. Zum Beispiel Malen oder Musik machen. Ich habe mir ewig lange den Kopf zerbrochen, wie ich das anstellen könnte. Damit ich wenigstens tagsüber diese wundervollen Dinge machen konnte, dachte ich mir (schon etwas naiv, gebe ich ja zu), dass ich ja dann abends ein bisschen Kohle in einer Kneipe mit Kellnern verdienen könnte, damit ich was zu beißen gehabt hätte. So entstand also die Idee mit dem Kneipenjob: als Wohn- und Essbeschaffungsmaßnahme. Aber wie bekommt man überhaupt den ersten Kneipenjob? Ganz einfach: Indem man volldreist behauptet, man habe das schon mal gemacht, natürlich! In meiner Stammkneipe, dem »Out« in der Südstadt war leider aber man gar nix frei, also versuchte ich es leicht angesäuert anderswo. Und so kam ich schlussendlich zu meinem ersten Kneipenjob in der WUNDERTÜTE . Das Publikum war anders als in meinem OUT , aber erst mal war das schon okay, und hin und wieder hat sich ja auch mal jemand von den Out-Gästen dorthin verlaufen, was ich natürlich sehr begrüßte!
    In der Nacht versammelten sich dort meistens viele Taxifahrer und andere Nachtarbeiter. Ich war immer heilfroh, wenn ich noch schnell nach Schichtende ins Out konnte, denn das war wirklich meine Heimat, mein Wohnzimmer, mein heiliger Rasen! Und wie es eben manchmal so ist im Leben, schlug das Glück eine beidhändig servierte Vorhand mitten in mein Gesichtszentrum, denn eines Abends kam ich da hin und ein Mitarbeiter war nicht zur Schicht gekommen. Natürlich bin ich mit einem doppelten Rittberger freudig eingesprungen und hatte somit endlich den heißersehnten, neuen Job in meinem geliebten Out-Wohnzimmer. Durch meine häufigen Besuche wusste ich ja sowieso schon, wo alles stand! Yippiiieeehhhh!!! Ich war der glücklichste Mensch der Welt, ich war so happy wie Mutter Beimer nach einer frischen Brusthaarrasur! Rosi, die Besitzerin der Wundertüte fand das zwar noch lang nicht so gut wie ich, sie war sogar richtig sauer, glaube ich, aber das war mir drissegal. Heute, glaube ich, Rosi war immer etwas krabitzig drauf, weil sie eifersüchtig auf das Out war. Der Laden brummte wie Bruno, der Problembär, und die Leute dort lagen mir einfach mehr als das teilweise zu verschnarchte Publikum in der »Tüte«. Im Out fühlte ich mich einfach sehr, sehr gut!!!
    Die erste Schicht begann meistens mit Kneipe putzen, und um 16.30 Uhr wurde dann aufgemacht. Die zweite Schicht fing um 20.30 an und ging bis zum Schluss um 1 Uhr und löste die erste Schicht ab. Die dritte Schicht startete um 22.30 Uhr und lief – na klar – auch bis zum Schluss um 1 Uhr. Ich kann mich gar nicht beruhigen, und ich weiß nicht, ob ich es schon mal so direkt und einfach in diesem Kapitel gesagt habe: das war eine tolle Zeit! In der Nähe des Outs befand sich eine psychiatrische Tagesklinik und der eine oder andere Insasse verlief sich auch schon mal beim Ausgang in unsere Kneipe. Das waren die härtesten Typen! Freitags kam oft einer mit mindestens zehn Hüten auf der Rübe, der wollte uns immer allen Ernstes die »wirklich richtigen sechs Lottozahlen« für fünf Mark verkaufen.

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