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Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
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Einfach dazugehört. Ich habe einen Hund und müsste doch rein rechnerisch wissen, dass nach etwa zwölf Jahren dieser Hund sterben wird. Aber das habe ich natürlich komplett ausgeblendet. Weil ich – wie viele andere Menschen wahrscheinlich auch – den Tod vom Leben ausschließen möchte. Was verständlich ist, aber auch zeigt, dass wir so niemals lernen werden, den Umgang mit dem Abschied vom Leben zu lernen und zu verstehen. Ich liebe dieses wunderschöne Lied von George Harrison »All things must pass!« Es ist so melancholisch und doch nicht resignierend. Der gute George brauchte auch gar keine drastischen Bilder, um uns zu vermitteln, dass nichts für immer und ewig ist. Ihm reichen Tag und Nacht, Sonnenauf- und -untergang für die Vergänglichkeit des Lebens.
    All things must pass
    All things must pass away
    All things must pass
    None of life’s strings can last
    So, I must be on my way
    And face another day
    Ja, so ist es. Wir sind alle nur auf dem Weg in die Vergänglichkeit von dem Augenblick an, an dem wir das Licht der Welt erblickten und unseren ersten tiefen Atemzug nahmen. Damals, in dieser Umgebung habe ich keine Zeit gehabt für diese Überlegungen. Verzweiflung, Angst und Panik lassen nur wenig Spielraum für Vernunft, Loslassen und einen ruhigen Abschied. Schon gar nicht – oder noch seltener, wenn man jung ist und so emotional wie ich. Ein Bekannter von mir ist Psychologe und hat mal gesagt: »Menschen, die schon mal beim lieben Gott angeklopft haben, werden nie wieder so sein wie vorher.« Ich fand das erst sehr negativ, aber ich glaube, es ist doch eher positiv gemeint. Ich deute es so, dass wir schon mal den Tod geprobt haben und somit einen Teil der Todesangst bewältigt haben. Aber wie gesagt, damals, in dieser Praxis stieg das nackte Entsetzen in mir auf, als der Arzt mit dem Ergebnis des Röntgenbilds zu mir kam.
    Auf dem Bild konnte man nichts Genaues mehr erkennen, da der ganze Körper und die Lungen schon voller Wasser waren! Frau Doktor bekam sofort eine Infusion, sie lag auf einer Decke am Boden, und ich legte mich neben sie und musste schon die ganze Zeit weinen. Sie war inzwischen elf Jahre alt, und ich hatte vorher schon gedacht: Wenn ihr mal was passiert, drehe ich durch. Wir waren eine Einheit, sie hat immer gespürt, wenn es mir schlecht ging und war dann immer sofort bei mir. So lagen wir also gemeinsam am Boden, sie an der Nadel und ich weinend daneben. Zwischendurch musste ich mal raus, die Infusion sollte entwässernd wirken, und als ich wieder in die Praxis kam, sagte der Arzt, er wolle eine Drainage legen, um das Wasser aus dem Körper zu bekommen. Es kam auch ein bisschen Flüssigkeit heraus, aber das half alles nix, es wurde nur alles noch schlimmer. Der Arzt fühlte nach einiger Zeit auch noch einen Tumor an ihrem Herzen und sagte, es sähe gar nicht gut mit Frau Doktor aus. Der Subtext war freilich ein anderer und ich ahnte, was unausweichlich auf uns zukam. Ich war völlig hilflos, der Hund lag an Schläuchen, und ich dachte mir, ich muss unbedingt Donald anrufen. Er wollte sich sicher auch verabschieden, die beiden waren doch zusammen aufgewachsen, und er liebte diesen Hund genauso wie ich! Ich rief ihn schnell an und sagte, es sähe nicht gut aus mit Frau Doktor, sprang ins Auto und holte ihn ab, denn der Arzt hatte mir geraten, dass es wirklich besser wäre, Frau Doktor von diesen fürchterlichen Qualen zu erlösen, denn es war kaum noch Leben in ihr. Donald und ich befreiten sie von den ganzen Schläuchen, dankten ihr innig und wünschten ihr eine gute Reise. Die hatte sie dann wohl auch, denn als ich im Koma war, habe ich sie ja – Sie erinnern sich – auf einer grünen Wiese rumtollen sehen!
    An dem Tag ihres Todes waren wir fix und fertig, und am Abend hatte ich auch noch einen Auftritt vor 1500 Menschen. Ich wusste überhaupt noch nicht, wie ich das schaffen sollte: Von der Heulerei hatte ich die Augen ’nen Meter vorm Kopf stehen, und weil ich selber so furchtbar traurig war, konnte ich mir nun mal gar nicht vorstellen, so viele Menschen zum Lachen zu bringen. Aber absagen konnte ich irgendwie auch nicht, weil die Leute sich doch eine Karte gekauft hatten und sich auf einen schönen Abend freuten … und vielleicht auch extra einen Babysitter bestellt hatten oder was weiß ich? Vielleicht waren auch einige todtraurig wie ich und freuten sich, endlich mal einen lustigen Abend mit mir zu haben, weil sie einfach mal wieder unbeschwert lachen

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