Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
Vom Netzwerk:
sich, aber der Tonfall drückte vieles aus. Nun lächelte sie wieder mit
schmeichelnden, lockenden Augen.
    Juanita begann schnell auf
spanisch zu sprechen. Shirley Bruce wandte sich zu ihr und sagte: »Ach, halt
den Mund, du machst mich krank. Wenn du Süßigkeiten siehst, benimmst du dich
wie ein Nimmersatt. Du hast sicher nur zuviel Konfekt in dich hineingestopft,
und davon ist dir dann schlecht geworden. Ich bezweifle, daß es vergiftet war.«
    »Mir wurde aber ganz plötzlich
sehr schlecht«, ereiferte sich Mrs. Grafton. »Ich war ohnmächtig und wurde in
ein Krankenhaus gebracht. Man hat mir dort den Magen ausgepumpt. Ich war
wirklich sehr krank.«
    »Aber jetzt geht es dir wieder
gut. Hör auf, die Todkranke zu spielen, es langweilt mich. Koch uns lieber
Tee.«
    Gehorsam stand Mrs. Grafton
auf, faltete den Schal ordentlich zusammen und verließ schweigend das Zimmer.
    Shirley sagte leise: »Das ist
ihr spanisches Blut. Diese Südamerikaner haben ein höllisches Temperament. Sie
war die Frau eines Ingenieurs, der bei einem Unglück in dem Bergwerk, an dem
ich indirekt Anteil habe, ums Leben kam. Das Bergwerk gehörte Cora Hendricks.«
    »Seit wann lebt sie hier?«
    »Sie lebt nicht immer hier. Sie
hält sich eine Zeitlang in den Staaten auf und geht dann wieder nach Kolumbien
zurück. Wenn sie hier ist, spielt sie gern die große Dame. Aber soviel ich
weiß, muß sie in Kolumbien als Dienstmädchen arbeiten. Sie spart, bis sie genug
Geld hat, wieder nach hier zu reisen und... Aber wir wollen nicht über sie
reden, es gibt Wichtigeres.«
    »Wo brennt es denn?«
    Sie deutete auf die Couch. »Ich
möchte ganz offen mit Ihnen reden.«
    Ich folgte ihr zur Couch und
ließ mich nieder. Sie war noch warm von Juanitas Körper. Shirley Bruce setzte
sich so dicht neben mich, daß ich die Wärme ihres rechten Beines durch den
Stoff ihrer langen Hose hindurch spürte. Sie ergriff ohne jeden Übergang und
recht hemmungslos meine Hand und begann mit meinen Fingern zu spielen, während
sie sprach: »Sie sollen sehr tüchtig sein.«
    »Das ist Ansichtssache.«
    »Ich habe Vertrauen zu Ihrer
Arbeit.«
    »Das freut mich.«
    »Wirklich?« fragte sie mit
kokettem Augenaufschlag.
    Ich sah ihr fest in die Augen.
Es waren dunkle, romantische Augen. Ihre vollen, roten Lippen waren leicht
geöffnet. Sie hatte ihr Kinn etwas gehoben, ihr Kopf befand sich dicht vor
meinem.
    »Aber natürlich.«
    Sie schmückte ihr Gesicht mit
einem kleinen und verführerischen Lächeln. Dann senkte sie ihre Augenlider und
begann wieder meine Hand zu streicheln. »Ich habe Onkel Harry sehr lieb.«
    »Das habe ich bemerkt.«
    Sie schwieg einen Moment,
wandte sich dann mir zu und fragte lachend: »Weil ich ihn geküßt habe?«
    »Auch daran.«
    »Aber ich küsse ihn jedesmal,
wenn er kommt. Er ist wie ein Onkel zu mir.«
    »Dann müssen Sie eine besondere
Neigung für ihn haben.«
    Sie lachte wieder. »Wenn ich
küsse, küsse ich richtig. Ich tue nichts halb.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein, nichts! Für halbe Sachen
bin ich nicht zu haben.«
    »Nein, den Eindruck erwecken
Sie auch nicht.«
    Ihre Stimme klang ärgerlich,
als sie mich fragte: »Was meinen Sie damit?«
    »Was haben Sie denn
damit gemeint?«
    »Ganz einfach, daß ich nicht...
daß... Wenn ich etwas unternehme, versuche ich, es richtig anzupacken.«
    »Das setze ich bei Ihnen
voraus.«
    »Sie könnten aber auch an etwas
anderes gedacht haben.«
    »Manchmal ist es schwer, genau
das auszudrücken, was man eigentlich meint.«
    Ihre zarten, warmen Finger
streichelten wieder zärtlich meine Hand. »Ich bin zu impulsiv«, sagte sie.
    »Sie verlassen sich wohl gern
auf Ihr Gefühl und sind sich über Ihre Zu- und Abneigungen Menschen gegenüber
schnell im klaren?«
    »So ist es. Ich freunde mich im
allgemeinen rasch mit Menschen an, die mir gefallen. Wenn ich jemanden ansehe,
kann ich ihn entweder sofort gut leiden oder gar nicht.«
    »Auch wenn Sie ihn zum
erstenmal sehen?«
    »Ja, auch wenn ich ihn das
erstemal sehe«, bestätigte sie.
    »Und wie ist es mit mir? Mögen
Sie mich?«
    Sie drückte so stark meine
Hand, daß sich ihre langen Nägel in meine Haut bohrten.
    Eine Minute lang saßen wir
schweigend da. Dann fragte sie plötzlich: »Donald, woher wußten Sie, daß ich
Robert Hockley Geld gegeben habe?«
    »Ich wußte es nicht.«
    »Aber Sie haben doch danach
gefragt?«
    »Das war nur so eine Frage am
Rande.«
    Sie griff in die Tasche ihrer
Bluse, zog dort ein zusammengefaltetes längliches Papier

Weitere Kostenlose Bücher