Ein Sehnen Im Herzen
James' Geld, er konnte damit machen, was er wollte. Und er öffnete seine Börse stets bereitwillig, wenn Emma ihn um Spenden für einen der vielen wohltätigen Zwecke bat, denen sie ihre Zeit widmete. Oh, natürlich beklagte er sich ... aber nur im Scherz. Emma hatte die Bibliothek des Earls von Denham noch nie mit leeren Händen verlassen.
Und es ließ sich nicht leugnen, dass James mehr als großzügig war, was seine Verwandten anging. Seine Mutter lebte in größtem Luxus in seinem Stadthaus in Mayfair, und seinem verwaisten Cousin Stuart hatte er nichts als Wohltaten bewiesen, indem er Stuart auf dessen eigenen Wunsch hin eine Ausbildung als Geistlicher ermöglicht und ihn in jeder Beziehung so behandelt hatte, als wären sie Brüder und nicht nur Cousins.
Angesichts dieser Großzügigkeit musste Emma einfach der Meinung sein, dass das, was Stuart plante, falsch war. James würde schrecklich verletzt sein, von seiner Mutter ganz zu schweigen. Und was war mit Penelope und ihren Eltern? Emma schuldete ihrem Onkel und ihrer Tante sehr viel. Es war besser - viel besser -, alles so zu machen, wie es sich gehörte, offen und ehrlich, damit sich niemand hintergangen fühlte.
Und das würde Emma Stuart beweisen, indem sie persönlich mit James sprach. Wenn er erst einmal sah, wie begeistert sein Cousin die Idee aufnahm - und Emma zweifelte nicht daran, dass James das, was sie ihm zu sagen hatte, im richtigen Licht sehen würde -, würde Stuart zur Besinnung kommen und sich angemessen verhalten.
Als sie allerdings den Ton des Earls hörte, der gerade mit jemandem sprach, der noch hinter der Bibliothekstür auf dem Flur stand, war sie sich nicht sicher, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, dieses spezielle Thema mit James zu erörtern.
»Ja, das ist alles höchst interessant, Miss Van Court«, sagte James, wobei er, wie Emma feststellte, nicht einmal den Versuch machte, die Ungeduld in seiner tiefen Stimme zu unterdrücken, »aber ich muss mich jetzt leider um wichtige Angelegenheiten kümmern. Wenn Sie mich also bitte entschuldigen würden...«
»Ja, aber«, hörte Emma ihre Cousine Penelope sagen, »es ist wirklich schrecklich wichtig, dass ich mit Ihnen spreche, Mylord. Wenn ich nur...«
»Vielleicht ein anderes Mal, Miss Van Court«, sagte der Earl, und als Nächstes war er allein im Raum mit Emma und schloss erleichtert die Tür hinter sich.
Die Erleichterung wich allerdings rasch Verwirrung, als er auf einmal Emma bemerkte, die mit ergeben gefalteten Händen in seiner Bibliothek vor ihm stand.
»Oh, Lord Denham«, sagte sie nervöser denn je. »Verzeihen Sie bitte. Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen, aber wie ich sehe, ist jetzt vielleicht nicht der beste Augenblick...«
Was für eine Untertreibung! Emma hegte keinerlei Zweifel, dass sich Penelope nach dieser schroffen Abfuhr in die nächste Wäschekammer geflüchtet hatte, wo sie sich schon als Kinder oft versteckt hatten, um sich ungestört die Augen ausweinen zu können. Es würde schwer werden, sie zu trösten, das wusste Emma. Und sie mussten heute Abend noch auf den Ball bei Lord und Lady Chittenhouse. Penelope würde sich bestimmt nicht rechtzeitig beruhigen.
Aber Lord Denham, der über Emmas unerwartete Anwesenheit in seiner Bibliothek keineswegs verärgert schien, wandte sich lediglich mit einem Schulterzucken, als müsste er etwas Unangenehmes abschütteln, von der geschlossenen Tür ab und sagte lächelnd: »Ein Besuch von Ihnen, Emma, kommt nie ungelegen. Welchem Umstand verdanke ich dieses Mal das Vergnügen? Dem Damenzirkel zur Obsorge des Wohlergehens weiblicher Insassen in Newgate? Oder ist es wieder einmal die Christliche Mission?«
»Oh«, sagte Emma, als James hinter seinem Schreibtisch aus massivem Mahagoni Platz nahm und nach Feder und Papier griff, um seinen Sekretär schriftlich aufzufordern, einen Scheck auszustellen. »Weder noch, ehrlich gesagt.«
James blickte überrascht auf. »Weder noch? Erzählen Sie mir nicht, dass Sie noch einem Wohltätigkeitsverein beigetreten sind, Emma! Sie sollten nicht all diesen Leuten erlauben, an Ihr weiches Herz zu appellieren. Gute Menschen wie Sie werden leicht ausgenutzt und letzten Endes aufgerieben, glauben Sie mir.«
»Diesmal geht es nicht um einen wohltätigen Zweck, Mylord«, sagte Emma, die das Gefühl hatte, dass ihr irgendetwas die Kehle zuschnürte. Sie räusperte sich. Es würde wirklich nicht so leicht werden, wie sie es sich vorgestellt hatte. Bei all ihren Plänen hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher