Ein Sehnen Im Herzen
das Gesicht des Earls warf.
»Heiraten?«, wiederholte James in einem Ton, der, wie sie bestürzt feststellen musste, nicht sehr freundlich klang. »Was soll der Unsinn? Heiraten? Das kann nicht Ihr Ernst sein, Emma.«
Emma blinzelte. »Es tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, Mylord«, sagte sie leicht indigniert. »Aber das ist ganz gewiss mein Ernst.«
»Aber... aber Sie sind viel zu jung, um zu heiraten«, erklärte der Earl. »Sie sind noch ein Kind!«
»Wohl kaum, Mylord! Ich hin vor kurzem achtzehn geworden. Sie waren letzten Monat bei meiner Geburtstagsfeier, wissen Sie noch?«
»Achtzehn?« James schien zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, um Worte verlegen. »Achtzehn ist immer noch viel zu jung, um zu heiraten. Stuart heiraten? Jetzt? Wissen Ihr Onkel und Ihre Tante Bescheid?«
Emma verdrehte die Augen. »Nein, natürlich nicht. Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, dass niemand etwas weiß. Stuart will es geheim halten. Er will, dass wir durchbrennen. Er will, dass ich mitkomme, nach Schott...«
Emma brach ab, als James unvermittelt aufsprang. Er war so viel größer als sie, dass sie stets gezwungen war, sich den Hals zu verrenken, wenn er so dicht vor ihr stand wie jetzt, auch wenn der Schreibtisch zwischen ihnen war. Als sie jetzt in sein Gesicht hinauf starrte, regte sich plötzlich leise, aber unverkennbare Furcht in Emma. James sah geradezu gefährlich aus. Sie hatte ihn natürlich schon wütend erlebt. Er war sehr aufbrausend, wenn es um Dinge wie schlampige Bedienung bei Tisch oder die Misshandlung von Pferden ging, Tiere, für die er eine große Schwäche hatte.
Aber so wie jetzt hatte Emma ihn noch nie erlebt. Er sah... tatsächlich, es gab kein anderes Wort dafür.
Mordlust.
»Wollen Sie mir etwa erzählen«, sagte James mit einer Stimme, die wesentlich beherrschter war als sein Kiefermuskel, der unkontrolliert zuckte, »dass mein Cousin vorhat, Sie mit zu den Shetlands zu nehmen?«
Emma stellte fest, dass sie einem schweren Irrtum unterlegen war. Stuart hatte völlig Recht gehabt, als er behauptete, dass sie, wenn überhaupt, nur heimlich heiraten könnten... zumindest, wenn das hier ein Beispiel für die Reaktion war, die ihre Verbindung hervorrufen würde.
»Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört«, versicherte sie ihm hastig. »Ich bin überzeugt, Stuart wird bald eine eigene Pfarre bekommen. Die Stelle als Kaplan wird er nicht lange...«
»Ich habe ihm gesagt«, donnerte James so laut, dass Emma beinahe einen Satz gemacht hätte, »dass er überhaupt keine Zeit als Kaplan zu verschwenden braucht. Er kann die verdammte Pfarre von Denham Abbey übernehmen. Das habe ich ihm nicht einmal, sondern tausendmal gesagt.«
»Ja... ja«, stammelte Emma, »ich bin sicher, dass er Ihnen dafür wirklich dankbar ist. Aber wissen Sie, er will an einen Ort - und ich bin ganz seiner Meinung -, wo er Gutes tun kann, wo die Menschen tatsächlich geistlichen Beistand brauchen, und ich fürchte, auf Denham Abbey trifft das nicht...«
»Also will er stattdessen Hunderte von Meilen entfernt einen Posten antreten, auf einer verlassenen Insel mitten in der Nordsee? Einen Posten, der mit so gut wie keinen Einkünften verbunden ist und ihn höchstwahrscheinlich umbringen wird, entweder durch den Hungertod oder durch Krankheiten? Und er will Sie mitnehmen?«
Das Haselnussbraun seiner Augen hatte sich in dunkles, feuriges Bernstein verwandelt. Emma fürchtete sich fast, ihn anzuschauen, so unheimlich wirkte die Farbe. Ach du meine Güte, war alles, was sie denken konnte. Sie hätte besser den Mund gehalten, das war ihr jetzt klar. Leider zu spät.
Angst - davor, was der Earl tun mochte und mit wem - machte Emma mutig. Sie hatte die beiden Cousins schon einmal bei einer Rauferei gesehen - wegen eines Pferdes, das Stuart angeblich zu hart herangenommen hatte -, und es war kein schöner Anblick gewesen. Eine weitere derartige Auseinandersetzung musste um jeden Preis vermieden werden.
Mit einem Gefühl, von dem sie sich einredete, es wäre Zorn, das in Wirklichkeit aber an Verzweiflung grenzte, rief sie: »Wirklich, Mylord, Sie brauchen nicht so zu schreien! Stuart und ich sind beide erwachsen und in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Ich bin in der Hoffnung zu Ihnen gekommen, gerade Sie würden Verständnis und Sympathie für unsere Pläne hegen. Aber wie ich sehe, habe ich Ihr Feingefühl stark überschätzt!«
»Das ist nicht das Einzige, was Sie überschätzt haben, Mädchen«,
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