Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller

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ist es verblasst und angenehm fürs Auge. Das Sommerhaus wird eins mit dem schützenden Wald und hebt sich doch von ihm ab.
    Von hier aus kann er keine Fenster erkennen. Er kann die Sauna nicht sehen, wo Moses und Aaron versteckt sind.
    Überzeugt, dass er allein ist, bewegt er sich nun rascher. Er weiß, dass das menschliche Auge vor allem auf Bewegung reagiert und erst dann Farben registriert. Wir sind Beute. Keine Jäger. Wir wurden als Beute entworfen, und unsere Sinne kontrollieren uns wie ein Beutetier. Sein Ausbilder nahm da kein Blatt vor den Mund:
    Wenn wir eine Bewegung wahrnehmen, weiten sich unsere Augen, und wir starren wie Idioten dorthin. Unser Adrenalin peitscht den Kreislauf hoch. Wir geraten in Panik und machen uns zur Flucht bereit, aber wir fliehen nicht. Warum? Weil wir nicht schnell genug sind und weil wir keine nennenswert gefährlichen Zähne haben, keine Klauen, weil wir nicht gut schwimmen können, weil wir im Klettern Nieten und vor allem nicht halb so klug sind, wie wir glauben. Wir sind Futter für die anderen. Aber mein Job ist es, euch von Futter in Marines zu verwandeln! Ihr habt ja nicht die blasseste Ahnung, wie anstrengend mein Job ist. Man könnte genauso gut versuchen, Blei in Gold zu verwandeln! Oder meine Frau in Rita Hayworth! Der einzige Grund, weshalb ich mich diesen ebenso nutzlosen wie ehrbaren Tätigkeiten nicht widme, ist, dass das U.S. Marine Corps mich nicht dafür bezahlt. Sie zahlen mir 12 Cent pro Woche, damit ich euch von Beute in Jäger verwandele! Und wisst ihr, wie eine flüchtende, in Panik geratene Beute zum Jäger wird? Nein? Ich sag’s euch. Indem sie sich umdreht. Und beschließt zu töten. Ich werde euch jetzt zeigen, wie das geht. Du da! Horowitz! Was habe ich gerade gesagt?
    Sir! Fressen oder gefressen werden, Sir!
    Er muss zur Sauna gelangen, aber ohne dass der Feind ihn erspäht. Er hat so etwas schon einmal geschafft. Aber das ist sechzig Jahre her.
    Zweiundachtzig Jahre alt. Seine Augen lassen nur noch ein Viertel von dem ein, was ein junger Mann sehen kann.
    Ein Sturz, und er bricht sich alle Knochen.
    Die höheren Frequenzen der Klänge, nur noch Erinnerung.
    Was kann er denn noch hören? Das Rascheln eines Blattes unter dem Schritt eines Feindes? Eine Waffe, deren Hahn gespannt wird? Einen flüchtenden Vogel, der ihm verrät, dass er nicht allein ist?
    Er ist jetzt kein Jäger. Er ist ein Träumer. Ein aussterbendes Exemplar. Ein nutzloser Mensch.
    «Ich sehe aus wie ein Busch.»
    «Ja, das ist wahr, Donny. War das nicht deine Absicht?»
    «Und wen will ich damit verarschen? Oder doch bloß mich selbst?»
    «Bist du sicher, dass du mal Scharfschütze warst? Und nicht bloß einer aus der Schreibstube, wie du Mabel erzählt hast?»
    «Woher hätte ich denn dann gewusst, wie man einen Tarnanzug bastelt?»
    «Du bist sehr clever, Sheldon. Vielleicht hast du es dir zusammengereimt.»
    «Es ist mehr als das. Meine Muskeln wussten noch genau, was sie zu tun hatten. Ich weiß, wie ich mich bewegen muss. Wie ich aussehen muss. Diese Erinnerungen sind ein Teil von mir. Und sie reichen noch weiter. Es geht nicht nur um das, woran ich mich erinnere. Es geht auch um das, woran ich mich nicht erinnern kann.»
    «Was heißt das?»
    «Ich kann mich nicht erinnern, auch nur ein Dokument abgelegt zu haben.»
    «Wie auch immer, Sheldon, jetzt bist du hier. Und was wirst du machen? Das ist die einzige Frage, die dir das Leben ständig stellt.»
    «Ich werde die beiden Gewehre holen.»
    «Na, wenn das so sein soll, dann lass dich nicht aufhalten!»
    Das Land fällt zu einer langen, schmalen Senke ab und steigt dann bis zum Sommerhaus hin wieder an. Der Boden ist kühler hier. Es ist trocken unter den Blättern. Das Gehen fällt leichter, die Füße finden besseren Halt. Das Licht ist noch stark, die nordische Sonne steht hoch und wirft nur kurze Schatten. Er erkennt, dass sich dieses Tal vor Jahrmillionen im Zuge einer Überschwemmung oder eines Gletschers gebildet hat. Das ist eine hilfreiche Erkenntnis, denn das bedeutet, dass das Tal sich in zwei Richtungen erstreckt, und er kann das Wissen um die geographischen Gegebenheiten sicherlich später gebrauchen. Es bedeutet, dass die Sauna nicht dort ist, wo sich das Schmelzwasser im Frühjahr ansammelt. Sie ist weder hier noch auf der anderen Seite der Stallungen. Sie liegt erhöht. Wo es trockener ist. Hinter dem Haus.
    Ich werde einen weiten Bogen machen.
    Ein jüngerer Mann hätte vielleicht einen direkteren Weg zum