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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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Erinnerung.»
    «Doch.»
    «Nicht dieser Teil. Liegt doch nahe, meine ich. Ich kann mich nicht daran erinnern, eine Unterhaltung mit einem Geist geführt zu haben. Ich bilde mir das hier doch ein!»
    «Ehrlich gesagt, nein. Es ist vermutlich keine richtige Erinnerung. Es ist eher eine Art Vision oder so etwas. Keiner von uns beiden ist hier. Du bist im Kino, mit dem kleinen Ausländer, den du in Island unter deine Fittiche genommen hast.»
    «Norwegen.»
    «Egal.»
    «Du klingst gar nicht wie Bill.»
    «Für wen hältst du mich dann?»
    «Ich mag diese Frage nicht.»
    Eine kleine Glocke über der Tür verkündet die Ankunft eines Kunden.
    «Ich finde, wir sollten hier jetzt mal zu Potte kommen.»
    «Was geschah an jenem Morgen?», fragt Bill.
    «Über welchen Morgen reden wir hier?»
    «Den mit dem kleinen Balkanjungen. Warum hast du dich im Schrank versteckt? Warum bist du der Frau nicht zu Hilfe gekommen?»
    «Ich bin zweiundachtzig. Was mir noch an Kraft bleibt, wollte ich mir für den Jungen aufsparen. Leben besteht aus Entscheidungen. Ich weiß, wie man Entscheidungen trifft.»
    «Und jetzt?»
    «Stromabwärts geht’s von alleine. Frag mich, wenn ich dort bin.»

    Ein junger Mann, auf dessen Namensschild ‹Jonas› steht, beugt sich mit freundlichem Gesichtsausdruck über Sheldon. Er sagt etwas auf Norwegisch.
    «Was?»
    Auf Englisch wiederholt Jonas: «Ich glaube, Sie sind eingeschlafen. Der Film ist vorbei, Sir.»
    «Wo ist der Junge?»
    Die Lichter sind an, und der Abspann ist vorüber.
    Mit leicht schmerzendem Rücken geht Sheldon über den roten Teppich hinaus in den Vorraum und findet Paul mit einer weiteren Eiswaffel – vermutlich ein Geschenk der Leute an der Theke.
    «Ich habe nach dir gesucht», sagt Sheldon.
    Paul lächelt nicht, als er Sheldon sieht. Er ist kein bisschen zugänglicher geworden, seit sie einander kennengelernt haben.
    Sheldon streckt die Hand aus.
    Paul rührt sich nicht.
    Also legt Sheldon dem Jungen sanft die Hand auf die Schulter.
    «Lass uns rausgehen. Dir was anderes zum Anziehen besorgen. Du kannst diese Hosen nicht mehr tragen. Ich hätte dir schon längst neue kaufen sollen. Ich war nicht bei Sinnen. Aber jetzt bin ich es.»

    Petter klopft Sigrid sachte auf die Schulter, um ihre Aufmerksamkeit von dem Computerbildschirm abzulenken. «Im Wandschrank ist Urin.»
    Es ist beinahe acht Uhr abends, und die Sonne steht noch hoch am Himmel. Im Büro sind es noch fast dreißig Grad. Eine Klimaanlage gibt es nicht. Früher war das auch nicht nötig, aber mittlerweile macht ihnen die globale Erwärmung ziemlich zu schaffen.
    Im Unterschied zu den meisten Männern im Büro – das jetzt vor Betriebsamkeit nur so brummt – hat Sigrid den obersten Knopf ihrer Uniform nicht geöffnet. Sie hätte das Recht dazu, und das Büro legt Wert auf flache Hierarchien, aber aus Gründen, die sie nicht vollständig erklären kann, lässt sie es lieber sein.
    «Eindeutig frischer Urin. Vor ein paar Stunden war er noch feucht.»
    «Bist du sicher, dass es nicht einer der Polizisten war?»
    «Wir vergleichen ihn mit der DNA der toten Frau. Aber es ist vermutlich nicht ihr eigener, denn ihre Hose war nicht feucht. Ich frage mich, ob es vielleicht von dem verschwundenen Jungen stammt.»
    «Der sich im Schrank versteckt hat und zuhören musste, wie seine eigene Mutter ermordet wurde? Eine entsetzliche Vorstellung!»
    Petter sagt nichts.
    «Wie lange braucht der Test?»
    «Normalerweise? Sechs Monate.»
    «Und in diesem besonderen Fall?»
    «Bis morgen früh. Ich denke, Inga wird bis tief in die Nacht im Labor bleiben. Sie hat gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht. Wahrscheinlich hat sie nichts gegen eine Ablenkung, und ich habe sechs Gesetze gebrochen, als ich sie bat, diesen Fall vorzuziehen.»
    «Hat sie nicht einen Hund?»
    «Eine Katze.»
    «Victor?»
    «Caesar.»
    «Schön. Das ist ja gut für uns.»
    «Gehst du an den Tatort?», fragt Petter.
    «Kann ich mich nicht auf deine Arbeit verlassen?»
    Petter zieht die Lippen kraus.
    «Ja, irgendwann schon», sagt Sigrid dann. «Ich lasse mir den Namen der Frau von ihrem Vermieter geben und den des Mannes, der dies wahrscheinlich getan hat. Ich dachte mir, ich würde erst den Verbrecher schnappen und mir dann über den Rest Gedanken machen.»
    «Wir gehen danach zu Pepe’s, Pizza essen.»
    «Wonach?», fragt Sigrid.
    «Es ist ein schöner Abend. Lass uns einen trinken gehen.»
    «Ich bin nicht in Stimmung.»
    «Ich habe noch nie eine ermordete Frau

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