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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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gesehen», kontert Petter.
    Sigrid sieht nicht vom Bildschirm auf. In strengem Tonfall sagt sie: «Immer noch nicht.»

    Sheldon checkt an der Hotelrezeption ein. «Ihr Name, bitte?», fragt die Frau.
    Mit einem Akzent, den weder er selbst noch die schwedische Frau hinter dem Tresen einordnen kann, sagt er: «C. K. Dexter Haven.»
    «C. K. Dexter Haven», wiederholt sie.
    «Esquire», fügt er hinzu. Er sieht nach unten und sagt dann: «Und sein Enkel. Paul. Paul Haven.»
    «Darf ich Ihre Pässe haben, bitte?»
    Sheldon wendet sich an Paul und sagt: «Sie möchte unsere Pässe haben. Die, auf denen unsere Namen stehen.»
    Er schaut die Rezeptionistin wieder an. «Gnädiges Fräulein, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die schlechte ist, dass man uns das Gepäck gestohlen hat – einschließlich der Pässe –, und zwar vor weniger als einer Stunde, als wir in dem komischen Zug saßen, der vom Flughafen hierherfährt. Es war eine derart traumatisierende Erfahrung, dass mein Junge sich in die Hosen gepinkelt hat. Das sage ich Ihnen aber im Vertrauen – ich möchte ihn nicht in Verlegenheit bringen, selbst in seinem zarten Alter nicht. Die gute Nachricht ist, dass mein Büro Ihnen das Ganze vor unserer Abreise gefaxt hat, Sie haben also glücklicherweise Kopien. Ach, und könnten Sie mir wohl noch zwei davon machen? Ich brauche sie für den Polizeibericht morgen früh und für die Botschaft, damit sie uns neue ausstellen können, für unsere traurige Rückreise.»
    Einen Augenblick lang sagt niemand etwas.
    Als die schlanke, attraktive und stilbewusst gekleidete Frau den Mund aufmacht, um etwas zu sagen, hebt C. K. Dexter Haven die Hand und sagt: «Sie brauchen es nicht gleich zu erledigen. Danke für das Angebot. Wir haben einen ziemlich langen und anstrengenden Tag hinter uns, sodass ich es in Anbetracht meines Alters – stolze zweiundachtzig – für das Beste halte, wenn wir die Angelegenheit morgen früh regeln. Recht wäre mir allerdings, wenn wir schon einmal das Finanzielle regeln könnten, damit das erledigt wäre. Außerdem würde ich gern einen Ihrer Liftboys bitten, meinem Enkel in einem Geschäft in der Umgebung ein paar neue Kleidungsstücke zu kaufen. Socken, Turnschuhe, Hosen, Unterwäsche, ein Hemd und eine hübsche Jacke für einen Waldspaziergang. Setzen Sie die Rechnung aufs Zimmer und bringen Sie die Sachen so schnell wie möglich zu uns rauf.»
    Die Frau versucht etwas zu sagen. Sie macht die Art von Gesten, die man im Repertoire hat, wenn man etwas zu einer Unterhaltung beisteuern möchte. Die eine oder andere Handbewegung. Ein gelegentliches Öffnen des Mundes. Ein Zusammenkneifen und Aufreißen der Augen mit dem einstudierten seitlichen Neigen des Kopfes zum Zeichen des Mitgefühls. Aber solche Feinheiten sind bei Sheldon vergebliche Liebesmüh – ebenso gut könnte man auf einen Elefanten einflüstern.
    «Mr. Haven, es tut mir leid, aber …»
    «Natürlich. Tut mir ja auch leid. Da mir auch die Medikamente gestohlen wurden, mit denen ich die Nebenwirkungen meiner Krebserkrankung bekämpfe, bin ich heilfroh, dass mir das in einem Land geschehen ist, dessen Bewohner so unglaublich zuvorkommend sind. Das sagen wir drüben in Amerika immer: Die Norweger sind die nettesten Leute überhaupt. Sollte ich lebendigen Leibes wieder nach Hause gelangen, werde ich das so weitergeben. Und wenn ich sterbe, ohne mein Heimatland wiedergesehen zu haben, dann wird es der Junge für mich ausrichten.»
    Es war ein hübsches Zimmer.
    Sheldon findet einen Sender, auf dem Zeichentrickfilme auf Norwegisch laufen. Paul setzt sich wortlos auf das Bett, eine Flasche Cola in der Hand, und schaut zu, wie Tom Jerry jagt. Sheldon setzt sich neben ihn und tut dasselbe.
    «Ich hatte mal eine Idee für Fernsehwerbung», sagt Sheldon dann. «Stell dir Folgendes vor: Zuerst zeigt die Kamera ein Weizenfeld mit Wildblumen darin, alles in goldenen Farbtönen. Man hört das Summen von Insekten. Die Hitze ist regelrecht spürbar. Nächste Einstellung: die sich kräuselnde Oberfläche eines Teichs. Eine traumgleiche Patina auf dem Wasser. Dann ein Platscher! Ein Hund ist in den Teich gesprungen. Die Kamera fängt ihn ein, wie er ruhig, aber entschlossen von links nach rechts schwimmt. Dann kommt auf der rechten Seite eine Colaflasche ins Bild, die im Wasser treibt. Der Hund – ein Golden Retriever – packt die Flasche mit der Schnauze, schnauft und prustet, während er wieder zurückschwimmt. Er klettert aus

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