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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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scheint aber immer alles genau zu wissen.»
    «Irgendwie spürt er das. Geh mal für mich ran. Ich kann die Taste nicht finden.»
    Er reicht ihr das Handy.
    «Ja. Hallo, Papa.»
    «Und?», sagt er.
    «Was und?»
    «Was ist passiert?»
    Sigrid wird plötzlich bewusst, auch wenn ihr nicht klar ist, warum gerade jetzt, dass die Redewendung ‹Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen› aus leidvoller persönlicher Erfahrung entstanden sein muss.
    «Ich hab einen Schlag auf den Kopf bekommen.»
    Am anderen Ende der Leitung herrscht erst einmal Schweigen.
    Sie wartet darauf, dass es endet, aber seltsamerweise hält es an.
    «Papa?»
    «Ja?»
    «Hast du nichts zu sagen?»
    «Jetzt, wo du fragst … Warum hast du keine Waffe mitgenommen?»
    «Ich hab dir doch gesagt, ich hab einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich brauchte keine Pistole. Sondern einen Helm.»
    «Hm, dagegen lässt sich schwerlich etwas einwenden.»
    «Können wir uns später noch mal darüber unterhalten, Papa? Wir haben gleich eine Besprechung auf dem Revier und müssen überlegen, wie wir jetzt vorgehen. Und außerdem muss ich mich mal übergeben.»
    Die Suche nach dem verschwundenen Boot auf dem Oslofjord erforderte einen Hubschrauber, produzierte weiteren Papierkram und machte Telefonate nötig, zu denen Sigrid nicht in der Lage war, als sie aufs Revier zurückkehrte. Petter musste die Einsatzleitung übernehmen. Die meiste Energie verwandte sie darauf, dafür zu sorgen, dass sie nicht ins Krankenhaus musste.
    Entweder hatte sie eine Gehirnerschütterung, oder sie hatte keine. Wenn sie eine hatte, durfte sie nicht schlafen. Also war es eindeutig besser für sie, wenn sie mit Gehirnerschütterung aufs Revier ging. Wenn sie keine hatte, brauchte sie auch nicht ins Krankenhaus. Ergo war sie mit Aspirin und einem Beutel voll Eiswürfel in ihrem Büro am besten aufgehoben.
    Nachdem der Hubschrauber in der Luft war, erhielt sie regelmäßige Berichte. Am schwierigsten war die Frage gewesen, ob er direkt nach Süden, in Richtung Nesodden, fliegen sollte oder lieber in südwestlicher Richtung nach Drøbak und dann die Strecke weiter nach Dänemark.
    Die Wahl fiel schließlich auf die Route nach Drøbak. Wenn sie die östlichere Strecke nahmen, würden sie nach Nesset und Umgebung gelangen, dann über Land in westliche Richtung fliegen, bis sie wieder auf die Küste stießen, dann weiter nach Süden und schließlich die ganze Strecke wieder zurück bis zum Helikopterlandeplatz im Norden. Das würde eine Menge teuren Treibstoffs verbrauchen, daher wollte man es auf der Seite von Drøbak versuchen. Sie würden so weit nach Süden fliegen, wie man es mit einem Boot vermutlich schaffte. Wenn sie nichts fanden, sollten sie über Land wieder in die Gegend von Nesset zurückkehren, um Kjøya, Nebba und die anderen kleinen Ortschaften in nördlicher Richtung anzusteuern. Die Motoren in dieser Art von Boot hatten meist einen Zwölf-Liter-Tank, was eine ziemlich genaue Vorhersage über die Reichweite ermöglichte.
    Der Kopilot verständigte sich regelmäßig mit Petter, sobald dieser aus der Mittagspause zurückgekommen und seine Aufgabe, Sigrid wach zu halten, wiederaufgenommen hatte. Die Mission dauerte etliche Stunden, wegen der beträchtlichen Entfernung, der Sichtbehinderung durch die Bäume auf einem Großteil der Küstenstrecke und der verwirrenden Vielfalt von Sport- und Freizeitbooten auf dem Wasser. Zu beurteilen, ob ein Boot vor Anker lag, dahintrieb, ob es noch benutzt wurde oder schon aufgegeben war oder ob es überhaupt zu der Beschreibung passte, war eine mühsame und zeitaufwendige Aufgabe.
    Gegen vier Uhr an jenem Nachmittag hatten sie es schließlich ausfindig gemacht. Im Zuge des Gezeitenwechsels lag es nun mehr als eine Seemeile von dem kleinen blauen Haus entfernt. Als es schließlich von der Polizei vor Ort inspiziert wurde, fand sich kein Hinweis auf Sheldon oder den vermissten Jungen.
    «Wo ist es?», fragt Sigrid.
    «Es ist von Kaholmene abgetrieben. In der Nähe der Stelle, an der das deutsche Schiff gesunken ist.»
    «Ich weiß, wo das ist, Petter. Jeder weiß, wo das ist.»
    Petter macht sich zunehmend Sorgen um Sigrids Gesundheitszustand im Allgemeinen und ihren Blutdruck im Besonderen, hält es aber für klüger und vielleicht auch sicherer, nichts zu sagen.
    «Ruf die Polizeidienststelle da an. Ich glaube, Johan ist noch immer der Chef. Sag ihm, wonach wir suchen. Vielleicht fällt ihm was ein.»

    In Envers Hosentasche

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