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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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‹Meine Leute›? Ist es wirklich schon so weit mit uns gekommen?»
    «Wir sind in Gefahr.»
    «Ich schau, was ich tun kann», hatte Adrijana gesagt.
    Als Burim den Anruf von Kadri erhielt, wusste er, dass ihm keine andere Wahl blieb, als zu dem Treffen zu gehen und so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Zu zeigen, dass er keinen Verdacht hatte, dass man ihn verdächtigte.
    Burim überlegte, dass es nur einen Ausweg aus dieser Sache gab. Enver musste das Land verlassen. Kadri war ein Großmaul und vertickte Drogen, aber umgebracht hatte er, soweit Burim wusste, noch keinen. Obwohl, vielleicht doch? Es kursierten da Geschichten aus der alten Heimat, wie Blätter, die der Nordwind vor sich hertreibt. Sie breiteten sich aus wie Nebel. Es ließ sich nicht feststellen, wer sie in Umlauf gebracht hatte.
    Dann bestand da natürlich die Möglichkeit, dass Enver festgenommen würde – dass er in den Knast wanderte, wo er hingehörte, und sie alle in Ruhe ließ. Aber sie würden nicht aufhören, ihn weiter um Gefälligkeiten zu bitten. Würden behaupten, dass Burims Familie ihnen etwas schuldete. Dass Burim ein Soldat sei und seinem Land dienen müsse.
    Und dann gab es da diesen letzten Ausweg, obwohl er Angst hatte, sich das auszumalen. Enver könnte auch umkommen.
    Burim fürchtete sich davor, diesen Gedanken auch nur zuzulassen. Das hatte er nie getan. Es war nur so, dass ein kleiner Gefallen, diese eine an sich bedeutungslose Bitte, sich zu immer größeren auswuchs. Immer größer wurden die Gefälligkeiten, bis er im letzten Jahr plötzlich ein halbes Kilo Heroin in einer Schachtel in den Händen hielt, die er auf den Küchentisch stellte und dann einfach anstarrte. Er war Zehntausende von Kronen wert, dieser braune Klumpen aus Afghanistan – ein Land, in dem ein Haufen armer Bauern Mohn auf weiten Feldern anbauten, während tagsüber Kampfhubschrauber auf sie feuerten und nachts die Taliban kamen und ihnen die Ernte abkauften. Und da lag es auf seinem Küchentisch, neben dem Salz- und dem Pfefferstreuer und einer niedlichen kleinen rosa-blauen Tasse, die Adrijana kurz zuvor in einem schicken Laden mit Küchenutensilien in der Stadt beim Bahnhof gekauft hatte.
    Dann, ein paar Tage später, rief Kadri an und wollte es haben. Also brachte Burim es ihm in die Åpent Bakeri, in einem orangen Jan-Sport-Rucksack, den Adrijana irgendwann vermisste. Sie fragte sich, wie sie so dumm gewesen sein konnte, ihn zu verlieren. Er übergab das Päckchen Kadri, und dann – als hätte man ihm einen bösartigen Tumor entfernt – war der braune Schreckensbatzen verschwunden.
    Später waren die einzige Erinnerung daran die fünfzehntausend Kronen, die Kadri ihm gegeben hatte. Und so ging Burim zu Paléet und kaufte ein paar Bücher für Adrijana, registrierte sich für zwei Jahre zum Schnäppchenpreis bei eMusic.com, kaufte sich selbst eine neue Winterjacke und zahlte den Rest auf sein Sparbuch ein.
    Er kann sich noch erinnern, wie er die Bank in der Nähe des Majorstuen an jenem Nachmittag verließ, den Arm voller Einkäufe, und sich fragte, was da gerade geschehen war. Er verstand es nicht ganz, aber irgendwo ahnte er, dass er gerade einen Deal mit Leuten geschlossen hatte, deren Wort keinen Pfifferling wert war. Und dieser Gedanke hatte ihm Angst gemacht.
    Gjon geht auf dem trockenen Sandboden in die Hocke und öffnet einen kleinen grünen Rucksack. Er entnimmt ihm drei große Bowiemesser mit hölzernem Griff und Messingbeschlägen.
    Enver redet in sein Telefon. Er sagt ihnen nicht, mit wem er telefoniert. Als er aufgelegt hat, schaut Enver den Mann an, der einmal sein Freund war.
    Gjon reicht Burim und Enver je ein Messer. Beide blicken etwas verwirrt darauf, aus unterschiedlichen Gründen.
    Enver stellt die Frage, die Burim ebenfalls auf der Seele brennt: «Was sollen wir denn damit anfangen?»
    Gjon steht wieder auf, öffnet den Kofferraum des Mercedes und klemmt den Rucksack zwischen das Reserverad und den Eimer mit Reinigungsmitteln.
    Dann hört Burim eine Antwort, die Gjon so noch nie gegeben hat.
    «Was du willst, Enver, scheißegal. Das hier hast du dir eingebrockt! Ich will, dass das jetzt aus der Welt geschafft wird. Und dann will ich, dass du und dein Bastardsohn, dass ihr abhaut und nie mehr wiederkommt!»
    Burim macht mit dem Messer in der Hand einen Schritt zurück.
    Enver steht reglos da. Dann nickt er. Nickt einfach nur. Und bittet Gjon um eine Zigarette. Gjon lässt die Schultern ein wenig sinken und zieht ein

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