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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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vibriert es erneut. Er steckt die Hand hinein und zieht das Handy heraus, um die SMS zu lesen.
    «Beim Auto», heißt es da.
    Es ist jetzt später Nachmittag. Enver betrachtet zum letzten Mal das Haus durchs Fernglas und beschließt dann, dass der Mann und die Frau es wohl nicht verlassen werden. Insgeheim freut er sich über die Aussicht, gleich aufstehen und sich die Füße vertreten zu können.
    Doch er steht nicht auf. Er robbt auf dem Bauch, bis er hinter einen kleinen Buckel gekrochen ist, und huscht dann in geduckter Stellung weiter, damit er nicht von der Hütte aus gesehen werden kann.
    Es dauert mehr als zwanzig Minuten, bis er durch den Wald zum Auto gelaufen ist, abseits der Straße, und dann bis zu der Biegung, an der er es versteckt hat, womit er allerdings nicht so erfolgreich war wie erhofft.
    Gjon und Burim lehnen sich an den Wagen. Sie rauchen und unterhalten sich leise, als Enver auf der Bildfläche erscheint.
    Die beiden blicken auf, als er auf den Feldweg tritt, sich den Staub von der Hose klopft und die Haare glatt streicht.
    Als Enver nahe genug ist, flüstert Gjon: «Hast du das von Kadri gehört?»
    «Was habt ihr zu essen mitgebracht?»
    «Hm?»
    «Was habt ihr zu essen dabei? Was habt ihr mitgebracht? Ein Sandwich? Was?»
    Gjon und Burim tauschen einen Blick und schauen dann Enver an. «Wir haben nichts zu essen dabei. Warum sollten wir etwas zu essen dabeihaben?»
    «Ihr solltet doch etwas zu essen mitbringen!»
    «Kadri wurde festgenommen. Ich weiß nicht, was er getan hat», sagt Gjon, «aber er war ein paar Häuserblöcke von der Wohnung entfernt, als er geschnappt wurde.»
    «Woher weißt du das?»
    «Ich habe unten auf der Straße auf ihn gewartet», sagt Gjon. «Er ging rein, weil er das Kästchen holen wollte, und sagte, ich solle …»
    «Du sollst was?»
    «Na ja … Ich nehme mal an, ein paar Sandwiches besorgen.»
    «Genau.»
    «Ja. Aber dann habe ich sie gegessen.»
    Enver sagt nichts. Er steht nur da und schaut die beiden an.
    Der Impuls, sich aufrechter hinzustellen und nicht mehr gegen das Auto zu lehnen, überkommt Burim, doch er unterdrückt ihn.
    «Ich wusste ja nicht, dass sie für dich waren. Ich dachte, eins wäre für Kadri und das andere für mich. Und dann ging die Polizei rein, und als er wieder rauskam, lief er direkt an mir vorbei. Daher habe ich beide gegessen.»
    Enver sagt noch immer nichts.
    «Ich hab ihn angerufen und durchgegeben, dass die Polizistin reingegangen ist», fügt Gjon hinzu.
    «Wer von den anderen kommt sonst noch?», fragt Enver.
    «Dann kam Kadri als Einziger wieder raus.»
    «Verdammt, wer sonst noch kommt?»
    Burim sagt zum ersten Mal etwas. «Niemand.»
    «Gebt mir die Gewehre.»
    Burim und Gjon schauen sich an und zögern, allerdings zu lange.
    «Ihr habt keine Gewehre dabei. Die habt ihr auch nicht mitgebracht. Nichts zu essen. Keine Waffen. Keine Soldaten. Warum habt ihr euch überhaupt die Mühe gemacht herzukommen?»
    «Enver, es ist nicht wie damals im Kosovo. Du findest nicht mal eben unter jedem Heuhaufen eine AK . 1997 haben wir Millionen, Milliarden von Patronen versteckt. Hier musst du sogar einen Waffenschein machen, um Enten schießen zu dürfen.»
    «Es gibt Gewehre hinter der Theke bei Intersport auf der Hauptstraße.»
    «Aber du brauchst einen Waffenschein, um sie anfassen zu dürfen. Und wenn man welche kauft, können sie deine Spur zurückverfolgen, weil man sich registrieren lassen muss.»
    «Anstatt eure Aufgabe zu erfüllen, habt ihr also beschlossen, euch vor eventuellem Papierkram zu drücken. Und die Männer?»
    «Du bist zu weit gegangen, Enver», sagt Gjon. «Du hast die Mutter deines Kindes getötet. Es gibt Leute, die sagen, du seist verflucht.»
    «Und doch seid ihr hier», sagt Enver zu Burim.
    Burim war hier, aber er hatte nicht kommen wollen. Er hatte Adrijana von dem vermissten Jungen und dem alten Mann erzählt, und sie hatte sehr aufmerksam zugehört. Sie wurde nicht laut und hielt ihm auch keinen weiteren komplizierten Vortrag. Sie hatte einfach nur zugehört, und als er fertig war, sagte sie: «Ich kann dazu nichts sagen. Wenn jemand, den ich kenne, sie bei sich aufgenommen hätte oder auch nur nach ihnen suchte, dann wüsste ich das.»
    «Aber du wirst mit deinen Leuten darüber sprechen», hatte Burim gesagt.
    Wenn Kadri tatsächlich ihre Beziehung publik zu machen drohte, dann wollte Burim, dass die Sache möglichst schnell vom Tisch war.
    «Ich kann es nicht glauben, dass du das gerade gesagt hast.

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