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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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Angewohnheit hatte sie also nicht abgelegt. „Er wusste genau, dass Alex und ich uns nicht wirklich verlobt hatten. Was fällt ihm eigentlich ein?“ Eine kleine Pause entstand. Tony bemühte sich, die Fragen in seinem Kopf etwas zu ordnen. Was wollte er noch wissen? Wieso hatte sie wieder nach Hause kommen dürfen, zum Beispiel.
    „Wie geht es deinem Vater?“ kam Guinievaire ihm zuvor. Tony war gerührt, selbst wenn er sich fragte, woher sie davon bereits wusste. Bevor er antworten konnte, musste er schlucken.
    „Er ist tot,“ sagte er dann tonlos.
    Sie seufzte mitleidig und dann machte sie endlich die fehlenden Schritte auf ihn zu. Behutsam und tröstend legte sie die Arme um Tony und den Kopf auf seine Schulter. „Das tut mir so leid,“ flüsterte sie, wobei Tonys Hände zitterten, während er sie festhielt. Sie roch ebenso gut wie früher, nach tausend süßen Blumen. Obwohl er traurig war, er war zugleich auch im Himmel und er wollte sie nach unerträglich langer Zeit unbedingt küssen. Als sie sich langsam wieder aus der Umarmung löste, hielt er sie weiter fest und sah sie flehentlich an. Auf ihrem Gesicht lag jedoch ein entschuldigender Ausdruck. Liebevoll streichelte sie seine Wange, aber sie trug Handschuhe und es fühlte sich distanziert an. Wieso wollte sie ihn nicht küssen?
    „Möchtest du einen Kaffee?“ schlug Tony vor. Scheinbar gab es noch mehr Dinge, über die sie mit ihm sprechen wollte, bevor sie wirklich wieder ausgesöhnt waren und Tony hätte dafür gerne eine etwas bequemere Umgebung. Guinievaire nickte dankbar.
    „Sehr gerne,“ seufzte sie mit einem Lächeln und Tony wies ihr den Weg ins Esszimmer.
    Sie setzte sich, während er durch eine weitere Tür in die Küche verschwand. Ein kurzer Blick genügte ihr dabei, um festzustellen, dass sich nicht viel verändert hatte in diesem Haus und dafür war vermutlich auch nicht viel Zeit gewesen, denn Tony war in den letzten Monaten scheinbar ebenso selten zu Hause gewesen wie Guinievaire. Es gab immer noch den Leuchter aus den vielen, kleinen Glaskristallen, den sie immer bewundert hatte und der kleine Lichtflecken gegen die Wände warf, und die Einrichtung war nach wie vor hell und simpel, denn man verschwendete nicht viele Gedanken auf das Detail in diesem Haushalt. Es war ein Esszimmer, also gab es hier einen großen Tisch und Stühle, eine andere Welt also im Vergleich zu Guinievaires neuem Zuhause. Bei Tonys Stuhl, neben einem halb aufgegessenen Apfel und seinem Tee lagen ihre beiden Briefe und Guinievaire musste beinahe lächeln, als sie erkannte, dass das obere Schreiben ihr etwas wütender Brief vom letzten Monat war. Inzwischen wusste sie natürlich, dass sie Tony vollkommen zu Unrecht derart harsch angegangen war, aber was sie geschrieben hatte, es entsprach nach wie vor der Wahrheit: sie war unendlich glücklich, auch ohne ihn, und außerdem war sie ganz ruhig und klar, denn ihn nach so langer Zeit wiederzusehen hatte sie nicht etwa verwirrt oder gar aufgewühlt. Natürlich war sie froh, zu sehen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut ging, aber ihr kleines Herz pochte nicht und sie war lange nicht mehr verliebt in ihn, genau wie sie es Alex versprochen hatte, jedoch anders als Tony. Es war mühelos zu erkennen, dass er sich noch immer Hoffnungen machte, wobei er natürlich nicht ahnte, dass Guinievaire nicht länger seine Verlobte war. Dieser verfluchte Marion, dachte sie dann weiter. Er hatte ihr ins Gesicht gelogen und sie gehalten und sie geküsst und sich niemals etwas anmerken lassen. Guinievaire hatte ihn wohl unterschätzt. Beinahe war sie so etwas wie beeindruckt.
    Schließlich kam Tony mit einer großen Tasse dampfenden Kaffees zurück, die er ihr mit einem schwachen Lächeln servierte. Er sah müde und bleich aus, sein Haar war widerspenstiger als jemals zuvor, und seine strahlenden Augen schienen tief in seinem Schädel versunken zu sein. Guinievaire tat dieser Anblick leid und, was wohl noch schlimmer war, sie hatte beständig das nagende Gefühl, als sei sein bedauerlicher Zustand allein ihre Schuld. Immer wieder musste sie sich daran erinnern, dass Tonys Vater erst vor Kurzem gestorben war und dass Menschen, denen ihr Vater etwas bedeutet hatte, vermutlich eben genau so aussahen, wenn er von ihnen gegangen war. Sie hatte nichts Falsches getan und sie hatte ihn nicht hintergangen, denn sie hatte geglaubt, er habe sie im Stich gelassen und sie hatte lange gewartet. Dass ihre Verlobung gescheitert war, dies

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