Ein silbernes Hufeisen
ungehalten. Warum bloß musste ausgerechnet in diesem Moment jemand hier auftauchen? Er hatte keine Zeit, um Tee zu trinken. Nelly wusste jedoch nichts von seiner Eile und daher antwortete sie unsicher.
„Einen Augenblick,“ bat sie.
Tony war mittlerweile ganz einfach alles vollkommen egal und er hatte nun einmal keine Zeit. „Es tut mir wirklich leid,“ rief er deshalb laut und abrupt nach unten, dabei gelang es ihm, den zweiten Schuh zu binden und nun suchte er nach seiner Jacke. „Aber dies ist ein sehr schlechter Zeitpunkt, bitte kommen Sie ein andermal wieder.“
Er wusste dabei natürlich genau, dass er sich in diesem Moment schrecklich unhöflich benahm, aber nun zählte ihm nur eines und sonst nichts, wobei sein Gehirn laut rauschte und er kaum klar denken konnte: Guinievaire. Er musste sie sehen, er musste ihr alles erklären.
Sein unbekannter Besucher wollte aber scheinbar nicht verschwinden und vergeblich wartete Tony darauf, zu hören, wie die Türe sich wieder schloss oder wie sich jemand verabschiedete, selbst nachdem Nelly sich für sein Benehmen entschuldigt hatte. Mittlerweile hatte er auch seine Jacke gefunden und steckte bereits in einem Ärmel, da erklang die Stimme erneut:
„Tony, bist du das?“ rief sie.
Tony erstarrte, dann hastete er sofort aus dem Zimmer auf den Flur hinaus und vom Flur zur Treppe, wo er schon auf der obersten Stufe wie in Schockstarre stehen blieb, sobald er sie gesehen hatte: sie trug ein unglaublich dünnes Kleid aus rosa Seide und eine kleine Jacke dazu und ihr herrliches Haar reichte ihr bis auf die Hüften herab. Unsicher stand sie mitten im Foyer, mit verschränkten Händen, dabei lächelte sie ihn an.
„Guinievaire,“ war das Einzige, was Tony zustande brachte. Sie sah wunderschön aus und zudem glücklicherweise nicht ein winziges bisschen wütend.
„Guten Tag,“ nickte sie und neigte den Kopf zur Seite, wie sie es schon immer getan hatte.
Immer noch halb starr vor Schreck stieg Tony nur sehr langsam die Treppe hinab und ließ sie dabei keine Sekunde aus den fassungslosen Augen. Sie war hier, sie war zu ihm gekommen, dies musste bedeuten, dass sie ihn immer noch liebte, trotz ihres wütenden Briefes! Sie musste tatsächlich weiter ungeduldig darauf gewartet haben, dass er endlich in die Stadt zurückkehrte.
„Ich wollte gerade zu dir,“ erklärte er sehr hastig, als er am Fuße der Treppe angekommen war und nur noch wenige Meter ihn von seiner Liebsten trennten. Was für ein herrlicher Tag dies war! War sie noch schöner geworden in der langen Zeit? Nelly verschwand diskret aus dem Raum, während die lange Getrennten sich ungläubig in die Augen sahen. „Guinievaire, ich habe deinen Brief erst heute bekommen, es tut mir unendlich leid. Ich wusste nicht, dass du wartest.“
Wieder nickte sie und ihr schönes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. „Ich weiß, Tony. Ich habe deinen auch erst gestern erhalten.“
Also war sie auch erst zurückgekehrt. War dies nicht ausnahmsweise einmal ein glücklicher Zufall, dass sie sich schon so bald wieder in London hatten sehen können? Tonys Herz klopfte weiter unaufhörlich, aber nun klopfte es auf eine beinahe schmerzhaft hoffnungsvolle und angenehme Art und Weise.
„Ich wäre sofort gekommen, hätte ich gewusst, dass du wartest,“ schwor er. „Aber Marion hat mir erzählt, dass du mit Alexander Lovett abgereist bist und dass ihr euch verlobt hättet.“
Guinievaire zog die hellen Augenbrauen zusammen. „Du kennst Marion?“ wunderte sie sich etwas fassungslos.
Tony nickte eifrig. Schritt für Schritt würde sich alles von selbst erklären, dachte er dabei. Sie würden einander keinerlei Vorhaltungen machen und mit jeder Minute, die sie redeten, kam er auch dem herrlichen Moment näher, an dem er ihr in die Arme fallen konnte.
„Natürlich kenne ich ihn, Guinievaire. Ich selbst habe mich bemüht, dich zu befreien und ich habe ihn um seine Hilfe gebeten. Wir hatten einen Plan.“
Überrascht kaute sie auf ihrer Unterlippe. „Das wusste ich nicht. Ich wusste nichts davon, sonst wäre ich nicht abgereist,“ murmelte sie.
„Nein, du wusstest es nicht, denn Marion hat es dir nicht gesagt. Er hat mich hereingelegt und betrogen,“ brach es aus Tony hervor. Er war ein Opfer, dies musste sie verstehen, und er hatte ihr niemals wehtun wollen.
Guinievaire machte ein unzufriedenes Geräusch und spitzte die roten Lippen. „Verdammter Mistkerl,“ fluchte sie ungehalten. Diese unschöne
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