Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
seltsame Ruhelosigkeit hinweghelfen, die ihm in letzter Zeit zu schaffen machte.
Während Leo seinen Gedanken nachhing, wurde zum Dinner gebeten. Seinetwegen war die Sitzordnung an der festlichen Tafel noch einmal geändert worden, und er führte jetzt die sommersprossige, blassblonde Aurelia Norton, eine Nichte der Gastgeber, zu Tisch, gefolgt von Susanna und ihrem Tischherrn.
Leo nahm während des gesamten Dinners von der spröden Miss Leland keine Notiz. Er ließ es sich schmecken, unterhielt sich betont vergnügt mit diversen anderen Gästen und zog sich anschließend mit den Herren auf einen Portwein und eine Zigarre zurück. Erst dann, als man sich wieder den Damen im großen Salon anschloss, ging er zielstrebig auf Susanna zu. Sofort spürte er, wie sich die Stimmung im Raum änderte. Knisternde Spannung lag plötzlich in der Luft. Vor allem die Damen vermieden es, ihn anzusehen, als er den Raum durchquerte. Als warteten sie neugierig darauf, auf welche Beute er es abgesehen hatte. Auch Susanna schien das zu merken, obwohl sie sich bemühte, ihre Unterhaltung mit der neben ihr sitzenden jungen Dame – Miss Randolph? – fortzusetzen. Als er vor ihr stehen blieb, zog sie fragend eine Augenbraue hoch, als wisse sie absolut nicht, was er ausgerechnet von ihr wollte. Und vermutlich war es genau das, worüber sich alle anderen tatsächlich wunderten.
Plötzlich fühlte Leo sich in Hochform. War sich sicher, dass ihm ein ausgesprochen vergnüglicher Abend bevorstand. Nicht weniger amüsant als jener vor fünf Tagen, als er Susanna in Jungenkleidung gesehen hatte. »Miss Leland«, begrüßte er sie und verbeugte sich.
Sie erhob sich und knickste anmutig. »Mr Wade.«
»Würden Sie mir wohl die Ehre erweisen, mit mir eine Runde durch den Salon zu drehen?«
Sie nickte höflich lächelnd und schickte sich an, neben ihm herzugehen. Einfach nur so. Doch er hielt ihr nachdrücklich seinen Arm hin, was sie, ohne Aufsehen zu erregen, kaum ausschlagen konnte. Susanna war gefangen, musste sich der Situation stellen, der sie eigentlich entfliehen wollte.
Während sie seinen Arm ergriff, spürte sie die Blicke der Anwesenden. Einmal mehr, das wusste sie, würden sich alle fragen, was Leo Wade wohl von dieser alten Jungfer wollte. Warum er sich nicht um die strahlend schöne Lady Caroline bemühte. Die Eltern der jungen Debütantin dürften die Einzigen gewesen sein, die über Leos Desinteresse an ihrer Tochter ernstlich froh waren.
Federleicht lag Susannas Hand auf seinem Arm. Sie promenierten vor den hohen französischen Fenstern auf und ab, durch die man auf die dunkle Terrasse sehen konnte. Sie waren so weit von den anderen entfernt, dass keiner ihr Gespräch belauschen konnte.
»Es war ziemlich leicht, Sie ausfindig zu machen«, sagte Leo leise.
Sie sah gelassen zu ihm auf. Die eine Seite ihres Gesichts wurde vom Schein der Lampen und Kerzen erhellt, die andere lag im Schatten.
»Die Dienstmädchen bei Ihnen zu Hause waren ganz erpicht darauf, einem verzweifelten Gentleman zu helfen, der Sie ganz dringend zu sehen wünschte«, fuhr er fort und tätschelte ihre Hand. »Nehmen Sie es ihnen nicht übel. Ich bin ziemlich überzeugend.«
»Ach ja?«, meinte sie skeptisch und zog erneut eine Augenbraue hoch. »Es bleibt abzuwarten, ob das auch bei anderen als arglosen Dienstmädchen zieht.«
»Außerdem bin ich ziemlich hartnäckig. Das haben Sie doch bestimmt daran erkannt, dass ich Ihnen in den Hyde Park gefolgt bin.«
»Sie hätten mir auch einfach einen Besuch abstatten können, statt mir aufzulauern und mich in aller Öffentlichkeit anzusprechen.«
»Nun ja, ich dachte, dass sie mich im Park nicht so leicht abweisen könnten.«
»Aber ich habe es getan«, erklärte sie triumphierend. »Sie haben mich schließlich beim Zeichnen gestört.«
»Und das können Sie wirklich gut.« Er lächelte sie an, während er sie sanft umdrehte und mit ihr an den Fenstern entlang zurückpromenierte.
»Schmeicheln Sie mir etwa, Mr Wade? Das ist doch wohl unter Ihrer Würde.«
»Ihnen aufzulauern war das ebenfalls, wenn Sie so wollen, aber es hat seinen Zweck erfüllt. Sie entschlossen sich, aufs Land zu fliehen, um mir zu entkommen und vielleicht auch der Kontrolle durch Ihre Familie. Denn die darf ja von der Wette nichts mitbekommen. Und von dem Gemälde schon gar nicht.«
Sollten seine Worte sie verblüfft haben, verbarg sie das gut, denn an ihrer gleichbleibend freundlich-neutralen Miene ließ sich nichts
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