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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Täglich zehn, zwölf Stunden Dienst, das Wartezimmer voller Patienten, fast jede Nacht hinaus … Herzanfälle, Geburten, Asthma, Lungenentzündungen, manchmal auch Lappalien wie eine verstopfte Nase oder Bauchschmerzen, weil jemand sein Bier zu kalt getrunken hatte, – aber immer hatte man bereit zu sein, immer zu reagieren, wenn einer sagte: »Doktor, kommen Sie! Doktor, helfen Sie mir. Doktor, wo bleiben Sie?« Ein ganzes Jahr lang, bis auf diese vier Wochen Ferien –
    »Ich gehe jetzt«, hatte Hilde gesagt. »Zum Piz Malu. Die Sonnenterrasse am Gipfelhaus ist die schönste. Du kommst bestimmt nach, Alex?«
    »Bestimmt.« Corell hatte gegähnt, sich gestreckt und das Zuschlagen der Tür nur noch im Halbschlaf gehört.
    Die Gondel füllte sich. Hilde stand hinten am Fenster, die Skier vor sich, die anderen Fahrgäste drängten sich hinein, standen dicht gedrängt, wie senkrecht gestapelt, kaum zu einer Bewegung fähig. Über der Schiebetür hing ein Messingschild: 32 Personen. Aber niemand zählte sie ab. In langer Schlange warteten die Menschen vor der Station, drängten nach oben. Was heißt hier 32 Personen? Soll die Gondel halb voll abfahren? Die Statik rechnet immer mit 300-facher Sicherheit, – also ist 32 nur eine Richtzahl. Wenn 50 in die Gondel passen, warum soll man das nicht ausnutzen? Diese 18 Menschen mehr sind doch kein Risiko. »Besetzt!« schrie der Schaffner. Die Schiebetür rollte zu, schnalzte in die Gummifalze. Irgendwo ertönte ein kurzes Klingelzeichen. Ein Lichtsignal auf der kleinen Schalttafel in der Gondel flammte auf. Der Schaffner drückte auf einen Knopf.
    Los. Freie Fahrt. Hinein in die Sonne des Piz Malu. Langsam ruckte die Gondel an, bewegte sich leise und träge von der Plattform weg, verließ die Station, schwebte nach oben. Zwei starke Drahtseile zogen sie in den Himmel, ein Punkt in der Weite. Eine seltsame runde Frucht, an einem dünnen Stahlstiel hängend, mit Kernen darin, die Menschen waren.
    Die Gondel passierte sechs Pfeiler, lief rumpelnd über die vier Doppelrollen, schwankte etwas, einige Frauen quietschten leise, die Männer grinsten mutig, neben Hilde stand ein älterer Mann und filmte hinunter in das jetzt von der Sonne langsam überflossene Tal.
    Die Gegengondel begegnete ihnen, man winkte sich zu … sie war leer, nur der Schaffner stand darin. Um diese Zeit fuhr alles hinauf, nur Kisten mit leeren Flaschen vom Gipfelhotel schwebten abwärts.
    »Ein herrlicher Fleck Erde!« sagte neben Hilde ein Mann. »Ich liebe diese Morgen in den Dolomiten.«
    Der achte Pfeiler. Wieder das Schwanken beim Passieren der Rollen, wieder ein Knirschen … aber in dieses gewohnte Geräusch mischte sich jetzt ein häßlicher Ton, ein Kreischen, ein zirpendes Schleifen. Einen Augenblick stand die Gondel still, pendelte an dem Drahtseil … das Schicksal schien nachzudenken, ob nichts mehr zu ändern war. Es war nichts mehr zu ändern.
    Der filmende Mann am Fenster sah es zuerst … eines der Drahtseile, das Bremsseil, fiel wie eine Riesenschlange neben der Gondel in die Tiefe, peitschte den Schnee und verschwand. Im gleichen Augenblick rutschte die Gondel ab und glitt zurück, abwärts, der Tiefe zu.
    »Das Seil ist gerissen!« brüllte jemand. »Anhalten!«
    An der Tür klebte der Schaffner. Er war bleich geworden. Er wußte nicht, was man in dieser Lage tun sollte, es war nie damit gerechnet worden, daß ein Seil reißen konnte, und wenn, dann hatte man unten in der Talstation die Möglichkeit, mit dem Fahrseil sofort gegenzusteuern und zu bremsen. Aber es waren 50 Personen in der Gondel statt 32. Und 18 Menschen mehr, so klein dieses Häuflein auch ist, waren jetzt 18 mal zuviel.
    »Bleiben Sie ruhig!« schrie der Schaffner, als die erste Frau hell aufkreischte und die Arme hochwarf. »Ruhig bleiben! Es kann überhaupt nichts passieren! Nur ein paar Meter, dann stehen wir wieder.«
    »Wir sausen wie eine Granate ab!« brüllte der Mann mit der Filmkamera. »Machen Sie die Tür auf, Sie Idiot! Alles 'raus! Der Schnee bremst den Fall! Lieber die Knochen gebrochen, als ganz weg! Tür auf!«
    »Ruhe!« schrie der Schaffner wieder. Die Gondel raste abwärts. Wenn sie die Pfeiler passierte, tanzte sie im Kreise, die Menschen, die nicht umfallen konnten – fünfzig statt zweiunddreißig! – klammerten sich aneinander fest, heulten auf, wurden wahnsinnig vor Angst und bildeten einen Block, der zur Tür drängte.
    »Es hat keinen Zweck!« schrie der Schaffner. Fäuste trommelten auf ihm

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