Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihnen die Tür der Polizeistation schloß.
    »Sie sind geil vor Sensationen –«, sagte Vicivic angewidert und ließ sich auf einen der alten Stühle fallen, die an den Wänden standen. Dravic nahm hinter seinem Schreibtisch eine amtliche Haltung ein und legte ein Blatt Papier für das notwendige Protokoll zurecht. »Sie belagern die Milizstation, als seien Sie ein Mörder, Kollege.«
    »Ich bin nicht weit davon entfernt.« Corell lehnte den Kopf zurück an die weiß getünschte Wand. Über ihm hing in einem schlichten Rahmen ein Foto von Marschall Tito. Ein ernster, aber Güte ausstrahlender Mann – ein gutes Foto für Amtsstuben.
    »Fangen wir an!« rief Dravic laut. »Ruhe! Zuerst rede ich! Ruhe!«
    Er wunderte sich, daß niemand dazwischen brüllte, sondern alle stumm an der Wand saßen, als seien sie bereits hingerichtet. Dravic räusperte sich; dieses Schweigen machte ihn nervös.
    »Das wichtigste zuerst!« brüllte er deshalb doppelt so laut. »Wer hat wem ein Kind gemacht?«

7
    Nach zwei Stunden entließ Dravic seine Verhafteten mit vielem Händeschütteln. Vorher hatte er sich vergewissert, daß die Straße vor der Station wieder leer war und sich die Neugierigen verlaufen hatten.
    »Kann man so etwas nicht zu Hause austragen?« fragte er zum Abschied. »Immer die Öffentlichkeit belästigen!« Er tippte Dr. Corell gegen die Brust und rupfte mit der Linken wieder an seinem Rock. »Vergessen Sie nicht, daß nur mein Freund Robic es verhindert hat, gegen Sie einen Antrag auf Ausweisung zu stellen. Wir sind kein degeneriertes Land wie der Westen, wo man sich benehmen kann wie ein Schwein im Sumpf.« Er blickte von einem zum anderen und ahnte, daß diese verdammt schöne Ruhe untereinander nur das Vakuum vor einem neuen Sturm war. »Ich warne alle! Einigt euch friedlich. Ist denn jetzt alles klar?«
    »Ich fürchte nein«, sagte Dr. Vicivic trocken. »Bei einer so komplizierten Liebe wäre Klarheit geradezu pervers.«
    Sie gingen alle zu Robic ins Haus, setzten sich dort wie Boxer, die gerade aus dem Fight kommen und nun privat weitermachen wollen, rund um den Tisch, und niemand wunderte sich, daß auch Stana im Zimmer war und den Andenkenladen einfach geschlossen hatte. Nur Petar dachte an den Verdienstausfall und seufzte verhalten.
    »Ich reise morgen ab –«, sagte Corell.
    »Gut!« antwortete Robic und schielte zu Danica.
    »Dann packe ich auch meinen Koffer –«, sagte sie auch prompt. Und Stana, die Mutter – Himmel, wer kennt sich im Herzen der Mütter aus! – fügte hinzu:
    »Ich helfe dir, mein Engelchen. Es ist alles gewaschen, was du brauchst.«
    »Was soll man da tun?« stammelte Serge Dobroz. »Petar Robic, helfen Sie mir doch! Ich kann doch nicht dasitzen und ruhig zusehen …«
    »Man sollte jetzt den Schnaps aus Fässern saufen«, knurrte Robic. »Zum Teufel, wie kann ich dir helfen? Danica ist alt genug, um allein zu entscheiden. Doktor –«, er nickte Vicivic zu, der langsam aus einem Glas Rotwein trank. »Was wir auch tun … Danica wird immer bei Sascha sein …«
    »Bestimmt –«, sagte sie laut.
    »Ich verliere sie, wenn ich dem Deutschen den Schädel einschlage – ich verliere sie, wenn ich sie mit ihm ziehen lasse. Was man auch macht: Immer ist's verkehrt!« Er sprang plötzlich auf, hieb mit beiden Fäusten auf den Tisch und brüllte: »Habe ich das verdient? Habe ich dafür geschuftet, daß mir der Rücken krumm ist?«
    Corell schwieg. Was sollte man hier noch sagen? Wo er hinkam, hinterließ er ein Chaos. Ein Mensch wie er durfte nicht mehr leben, – das war das einzige, was er jetzt mit Sicherheit wußte. Nur würde es schwer werden, die Welt von einem Kerl wie ihm zu befreien. Danica würde ihn nie mehr unbeobachtet lassen, aber auch zum Sterben, so schnell man es einrichten konnte, brauchte man ein paar Augenblicke Zeit.
    Er stand auf und verließ das Zimmer. Stehlen wir uns diese Sekunden, dachte er. Betrügen wir die Liebe um die wenigen Momente, die zum Sterben reichen. Es ist zum Kotzen – selbst im Tode ist man noch ein Schuft! Er schloß sich oben in seiner Kammer ein und rührte sich nicht, als Danica draußen mit beiden Fäusten gegen die Tür hämmerte.
    »Mach auf!« schrie sie. »Sascha, mach auf! Sascha!«
    Er setzte sich auf das Bett, klemmte die flachen Hände zwischen die Knie und starrte vor sich hin. Die Dielenbretter waren blank von den Jahren, in denen viele Sohlen sie gescheuert hatten. Fast ein Jahrhundert war auf ihnen herumgelaufen, und es kam

Weitere Kostenlose Bücher