Ein Sommer mit Danica
es nach zwei Tagen noch nicht sagen … es ist medizinisch unmöglich.«
»Aber ich fühle es! Hörst du, ich fühle es! Eine Frau fühlt so etwas! Was ist eure ganze Medizin gegen das Gefühl einer Frau? Ich bekomme ein Kind von dir!«
»Wer hat nun recht?« stammelte der alte Robic. Er lehnte an Vicivic und holte röchelnd Atem.
»Beide –«
»Das gibt es doch nicht.«
»Wir verstehen manches nicht, was möglich ist. Himmel nochmal, werden Sie endlich vernünftig, Petar! Benehmen Sie sich wie ein Mann und nicht wie ein blinder Esel.«
»Ein Kind –« Robic wischte sich über die Augen. Seine Hände zitterten greisenhaft. »Mein Engelchen bekommt ein Kind. Und es wird aufwachsen wie eine Ratte, die ihren Vater nicht kennt … Vicivic, warum dürfen Väter in solchen Fällen nicht zum Mörder werden?«
»Weil Väter am allerwenigsten etwas von der Liebe ihrer Töchter verstehen.« Dr. Vicivic ließ den alten Robic los. »Da haben wir es! Die Miliz! Jetzt überlegen Sie sich etwas, was die Behörden glauben –«
Robic drehte sich herum. Über den Tartiniplatz kam mit weitausgreifenden Schritten ein älterer Milizionär. Die Sonne glänzte auf seiner Uniform und dem ledernen Gürtel. Er hatte die Mütze peinlich gerade auf dem Kopf und zog beim Gehen seinen Rock noch straffer, als er schon saß.
»Duschan Dravic –«, sagte der alte Robic und spuckte aus. »Ein Schulfreund von mir. Mitglied der III. Brigade in den Bergen von Kozara. Wenn er das Maul aufmacht, erzähle ich seiner Frau, daß er im letzten Sommer mit einer Engländerin gehurt hat. Sie hatte ihren Paß verloren, und Duschan besorgte ihr einen Ausweis und kam täglich in ihr Hotel, um ihn zu stempeln. So viel Stempelchen auf einem kleinen Papier!« Er trat einen Schritt vor und winkte mit beiden Armen ab. »Bleib stehen, Duschan!« schrie er. »Ich brauche keine neuen englischen Ausweis –«
»Hindere keine Amtshandlung!« schrie Duschan Dravic zurück und beeilte sich, näherzukommen. »Es liegt eine Anzeige vor. Anzeigen müssen bearbeitet werden.«
»Halten Sie Danica fest, Serge –«, sagte Corell in diesem Augenblick. »Ganz fest! Es ist nur eine kurze Zeit, in der es wehtut … ich kenne das. Dann siegt die Jugend, auch über die Erinnerung. Ich war nur ein Schatten über der Sonne, und Schatten bleiben nicht ewig …« Er drehte Danica zu sich herum, weil sie noch immer wie ein kleiner, armseliger Schild vor ihm stand und ihn gegen den nach innen rasenden Dobroz abschirmte. »Danica … verdammt, mach es uns nicht zu schwer. Ich gehe einfach weg … und alles ist vorbei! Das ist am besten so …«
»Ich liebe dich …«, stammelte sie und verkrallte sich in sein Hemd. »Ich liebe dich doch … da geht man doch nicht einfach weg und alles ist vorbei. Sascha … das kann man doch nicht tun –«
Die Ansammlung der Touristen war größer geworden. Dravics Erscheinen als Ordnungsmacht leitete den zweiten Akt ein. Es war ein Schauspiel, das sogar von einigen Reisenden gefilmt wurde. Eifersuchtsdrama auf dem Tartiniplatz von Piran, ein moderner Bajazzo … wenn das kein Reiseandenken ist, und dazu noch unentgeltlich!
»Duschan, laß sie in Ruhe!« sagte Petar Robic gefährlich leise, als der Milizionär stolz an ihm vorbeiging. »Denk an die englischen Stempelchen …«
Dravic ging unbeirrt weiter. Hundert Augen sehen auf mich, dachte er. Ich vertrete die Ordnung des Staates. Welch eine Katastrophe, jetzt nicht das zu tun, was man von mir erwartet! Über die englische Dame kann man später mit Petar sprechen – jetzt heißt es zunächst, den Tartiniplatz zu räumen und diese Idioten aus der Öffentlichkeit zu ziehen. »Mitkommen!« sagte er laut. Er besaß eine sonore Stimme, die alles übertönte, wenn er tief Luft holte. »Alle mitkommen auf die Station! Ruhe! Zwingt mich nicht, Verstärkung zu holen!«
Sie durchbrachen den Ring der Touristen, die Dr. Corell hämisch angrinsten und mit ihren Fotoapparaten belästigten. Er ließ sich fotografieren, tat ihnen sogar den Gefallen, ein paar Sekunden stehen zu bleiben und sein Gesicht hinzuhalten und sagte, als er weiterging, zu einer Gruppe deutscher Reisender:
»Wenn Sie in Frankfurt sind, besuchen Sie mich mal! Sie brauchen am Bahnhof nur nach dem Hurendoktor zu fragen –« Er freute sich über die verlegen grinsenden Mienen seiner Landsleute, nickte ihnen aufmunternd zu und folgte dem großen starken Duschan Dravic.
»Weitergehen! Weitergehen!«
Es war eine Gnade, als sich hinter
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