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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stellen sollte, hätte er zu sich sagen müssen: Es war alles viel zu früh. Du hast keinen Körper mehr wie ein Fünfundzwanzigjähriger. Du bist ein alter, verbrauchter, vom Alkohol zerfressener Mann. Es ist überhaupt ein Wunder, daß alles so zusammengeheilt ist.
    Auf der Rückfahrt saßen sie in einem Waggon mit Bäuerinnen, die aus der Stadt zurückkehrten in ihre Dörfer. Sie kamen vom Markt, und was sie nicht verkauft hatten, schleppten sie in Kisten und Körben in den Wagen, stapelten es auf den Gepäckträgern und in den Gängen, rückten sich selbst zwischen gackernden Hühnern und Trauben von Knoblauchzwiebeln zurecht und begannen zu essen.
    »Wir werden nicht mehr bis Piran kommen –«, sagte Corell. Der Abendhimmel war schwer von Gold, über dem Horizont, wo das Meer sein mußte, ballten sich rote Wolken. »Den letzten Bus verpassen wir bestimmt.«
    »Dann steigen wir aus und suchen uns ein Hotel.« Sie sagte es ganz einfach, und er dachte: Sie lebt schon mit mir. Alles ist selbstverständlich, was wir jetzt gemeinsam tun, weil wir es gemeinsam tun. Mein Gott, wann habe ich zum letzten Mal dieses Gefühl gehabt, Teil eines großen Glücks zu sein? Gibt es das überhaupt noch? Glück? Was ist das? Danica? Deine Liebe – ist das Glück?
    Er hatte plötzlich Angst, darauf zu antworten. Zu schmal war der Grat, über den er jetzt ging, um den Abgrund zu überwinden. Und er hatte die Sicherheit von früher verloren, das Schwindelfreisein, ohne das man das Leben nicht aushält und auf die Schnauze fällt, immer und immer wieder, und sich bis an sein Ende wundert, warum der eine im Licht steht und man selbst in der Gosse liegt.
    Sie stiegen bei Divaca aus und hatten Glück, einen Kleinbus zu bekommen, der nach Lipica fuhr. Er war vollgestopft mit Arbeitern und Frauen, die unterwegs ausstiegen und in den einsamen Karstdörfern verschwanden; manchmal war es nur ein Pfahl an der Straße, wo der Bus hielt, und die Menschen tauchten wie Schatten in die Dunkelheit. Als sie in Lipica ankamen, saßen sie allein im Bus und lehnten aneinander. Der Wagen fuhr einen Kreis über den Parkplatz und hielt vor dem Eingang des langgestreckten, neuen und modernen Hotels ›Maestoso‹. Hinter den gläsernen Wänden des großen Speisesaales funkelten Kaskaden von Lampen, aus dem Nightclub darunter ertönte Tanzmusik, die Parkplätze waren bis auf wenige Streifen besetzt mit den Luxuslimousinen westlicher Besucher.
    Corell zahlte dem Busfahrer ein Trinkgeld und nickte dann zu den Wagen hin.
    »Irrtum. Ich gehöre nicht mehr dazu.«
    »Es ist ein schönes Leben, nicht wahr?« fragte der Busfahrer.
    Sein Deutsch war hart, und Corell fiel auf, daß es, – wenn man es so zerhackte – eigentlich eine häßliche Sprache war.
    »Sicherlich. Die meisten träumen davon. Ich nicht mehr. Können Sie uns irgendwo hinbringen, wo ein Bett ist? Weiter nichts. Ein Bett …«
    Danica war ein paar Schritte zum Hotel gegangen und kam jetzt zurück. »Wir schlafen hier –«, sagte sie.
    »Das ist unmöglich.«
    »Warum ist es unmöglich?«
    »Das kann man nicht mit einem Satz erklären.«
    »Man kann alles erklären, Sascha. Mit einem Wort!« Sie winkte dem Busfahrer, und der war froh, aus dieser ihm unverständlichen Situation befreit zu werden. Corell sah an der Lichterfassade empor. Lipica … die weißen Hengste … die einmalige Zusammenballung von Kraft und Schönheit … die Eleganz der tanzenden Pferde … es mußte vor einem Jahrhundert gewesen sein, daß er im Reitstall im Taunus zwei Lipizzaner besessen hatte und mit Hilde durch die Wälder geritten war … Vor einem Jahrtausend … in einer völlig anderen Welt …
    Auch die Lipizzaner hatte er versoffen. Das wußte er so genau wie gestern. »Nein!« sagte er heiser. »Nein!«
    »Du mußt da hinein, Sascha …«
    Sie faßte ihn an der Hand, und er spürte, wie sie zitterte. Sie will es erzwingen, dachte er mit plötzlicher Rührung. Sie ahnt, daß diese kleinen Schritte zurück in eine verlorene Welt wichtig sind wie Bausteine, aus denen man ein Fundament mauert. Ihr weiblicher Instinkt ist grandios. Aber sie riecht nicht, wie faul der Boden ist, auf dem sie das neue Haus bauen will. Denk an Venedig, Danica. Dort versinken die Paläste im Schlamm. Aber wie kann man ihr das sagen? Sie zog, und er ging mit ihr bis zu der großen gläsernen Eingangshalle.
    »Komm –«, sagte sie. »Komm, Sascha …«
    Er starrte in das prunkvolle Foyer und blickte dann an sich herunter. Ein

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