Ein Spiel um Macht und Liebe
in der Dunkelheit leicht verirren. Ich denke, im Moment sind wir am besten damit bedient, wenn wir hierbleiben und beten, daß das Wasser irgendwann weiter sinkt.«
Clare ließ sich die Chance, mit Witzeleien den Ernst der Lage aufzulockern, nicht entgehen. »Sie und beten? Ich glaube, ich habe zuviel Wasser in den Ohren.«
Er lachte in sich hinein. »Mein Freund, der berüchtigte Michael, war Soldat, bevor er sich entschloß, statt dessen einfach nur reich zu werden. Er meinte einmal, daß es auf dem Schlachtfeld keinen Ungläubigen gäbe.«
Er spürte ihr leises Lachen eher, als daß er es hörte, doch es war schnell vorbei. Als sie sprach, war ihre Stimme sehr ernst. »Glauben Sie, daß Owen und Huw sich in Sicherheit bringen konnten?«
»Bestimmt«, sagte er und hoffte, daß sein Optimismus nicht fehl am Platz war. »Owen hatte einen guten Vorsprung, und so weit kann es bis zu der Wettertür, die der Junge bedient, nicht mehr gewesen sein. Entweder sie hängen an einem Pfeiler wie wir oder aber sie hatten noch das Glück, durch die Tür zu kommen, bevor das Wasser diese erreichte. Dann hätten sie genug Zeit gehabt, sich auf eine höhere Ebene zu retten.«
»Lieber Gott, ich hoffe es«, flüsterte sie. »Aber wahrscheinlich sind andere Bergarbeiter vom Wasser überrascht worden. Brodvill zum Beispiel, der die Sprengladung gezündet hat. Er konnte sich noch nicht weit zurückgezogen haben, als sie explodierte.«
Ihr ganzer Körper zitterte erbärmlich. Er konnte sich denken, warum. »Ist Ihr Vater in diesem Teil der Mine umgekommen?«
»Nein, es war am anderen Ende.« Sie brach ab, schwieg und platzte dann plötzlich heraus: »Ich hasse die Grube! Lieber Gott, ich hasse sie! Wenn ich die Zeche morgen zumachen könnte, dann würde ich nicht einen Augenblick zögern! So viele sind hier schon umgekommen! So viele…« Ihr Stimme verebbte, und sie verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter.
»Haben Sie noch jemanden verloren, der Ihnen sehr am Herzen lag?« fragte er ruhig.
Eine lange Weile war nichts zu hören außer dem leisen Rauschen des Wassers. Dann sagte sie stockend: »Ich… ich war einmal verliebt… Wir waren noch sehr jung. Ich war fünfzehn, Ivor ein Jahr älter. Aber ich hatte ihn sehr gern und er mich auch. Manchmal, nach der Kirche, redeten wir miteinander, versuchten unsere Gefühle auszudrücken, aber wir taten es mit Worten, die jeder mithören konnte, wenn er wollte.« Sie schauderte, dann sprach sie weiter, und ihre Worte klangen so emotionslos, daß ihr Kummer dadurch nur um so deutlicher ausgedrückt wurde.
»Bevor sich die Dinge überhaupt entwickeln konnten, gab es eine Gasexplosion. Er verbrannte bei lebendigem Leib.«
Nicholas, der in diesem Tal aufgewachsen war, kannte die unschuldige Leidenschaft junger Dorfbewohner, die ihren Partner fürs Leben gefunden hatten. Obwohl ein Zyniker sicher sagen würde, daß auch solche Affären in reiner animalischer Lust verwurzelt waren, wußte Nicholas es besser; er mußte nur daran denken, wie Owen Marged den Hof gemacht hatte. Von Anfang an hatte zwischen den beiden eine so innige, spürbare Verbindung bestanden, daß es wehgetan hatte, sie zusammen zu sehen. Nicholas war schlichtweg neidisch gewesen. Ob dieser junge Ivor dem Geschenk ihrer ersten Liebe würdig gewesen war? Clare würde es niemals erfahren, aber sie würde auch niemals einen Verrat an ihrem Liebsten begehen können, denn er war gestorben, bevor ihre knospende Liebe sich noch entwickeln konnte.
Seit sie in die Zeche eingefahren waren, hatte Nicholas seine Beschützerinstinkte unterdrücken müssen. Nun gab er den Kampf auf. Er wollte ihr helfen, so gut er konnte. »Es ist sehr tapfer von Ihnen, sich dennoch in die Grube zu wagen«, flüsterte er. Er beugte den Kopf und strich mit seinen Lippen über ihr nasses Gesicht.
Sie stieß ein leises, erstauntes Seufzen aus, als sich ihre Lippen trafen, und ihr Kopf fiel gegen seine Schulter. Ihr Mund war so warm, so betörend warm im Kontrast zur kalten Haut ihrer Wangen. Das Wasser verringerte ihr Gewicht, und es war ganz leicht, ihren nachgiebigen Körper an sich zu ziehen. Ihre durchnäßte Kleidung klebte an ihren Körpern, und der Stoff erwärmte sich dort, wo sie sich berührten. Es fühlte sich fast so an, als wäre gar keine Kleidung mehr zwischen ihnen, aber es schien ihr nichts auszumachen, daß sein Schenkel sich zwischen ihren befand oder ihre Brüste sich gegen seinen Oberkörper preßten.
Anfangs küßte er sie sanft,
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