Ein Spiel um Macht und Liebe
Füßen erzittern.
»Bodvills Sprengung«, bemerkte Owen.
Plötzlich wirbelte Clare herum und starrte in den Gang, aus dem sie gekommen waren. »Hört mal!«
Verwirrt drehte auch Nicholas sich um und blickte angestrengt in den Gang. Die Sicht war durch eine Kurve in etwa hundert Fuß Entfernung versperrt, aber die Luft schien sich seltsam zusammenzupressen. Der Druck stieg, und irgend etwas, das sich nach Wasser anhörte, brauste auf sie zu.
Bevor er noch den Mund öffnen konnte, um eine Frage zu stellen, schoß eine gewaltige Woge um die Kurve und flutete den Gang bis zur Decke. Mit tödlicher Geschwindigkeit raste das Wasser auf sie zu.
Kapitel 10
ALS DIE WOGE auftauchte, brüllte Owen: »Die Wände rauf und festhalten! Ich muß Huw helfen!«
Schon rannte er mit der Kerze in der Hand davon.
Clare packte Nicholas’ Arm und zerrte ihn auf den nächsten Stützpfeiler zu. »Schnell! Wir müssen so hoch wie möglich!«
Nicholas ließ die Kerze fallen, packte Clare um die Taille und schob sie so hoch hinauf, wie er konnte. Mit den Füßen nach Vorsprüngen tastend, kletterte sie weiter, während Nicholas ihr folgte.
Die wild flackernde Kerze, die auf der Krempe ihres Hutes befestigt war, zeigte ihm, daß ein kurzer Schrägbalken die Entfernung zwischen Fels und Holz überbrückte. Es gelang ihm, einen Arm darum zu schlingen; mit dem anderen hielt er Clare in der Taille fest.
Dann hatte der brausende Strom sie erreicht. Die Kerze erlosch, als sie mit solcher Wucht überspült wurden, daß Nicholas seine ganze Kraft aufbieten mußte, um sich und Clare an dem Pfeiler festzuhalten. Irgend etwas Schweres rammte sie und rauschte dann wieder davon, doch der Gegenstand hätte ihm um ein Haar Clare entrissen.
Die Strömung war gewaltig. Clare klammerte sich verzweifelt an ihn. Als sie sich einigermaßen sicher festhalten konnte, drehte er sie um, bis ihr Rücken gegen die Felswand gepreßt war und sein Körper sie abschirmte. Wieder krachte etwas heftig gegen seine Rippen und preßte das bißchen an Luft, was er noch hatte, aus ihm heraus.
Wenigstens hatte Clare diesmal nichts abbekommen.
Die Sekunden verstrichen, ohne daß die Flut abebbte. Langsam wurde das Brennen in seinen Lungen unerträglich. Würde er hier unten ertrinken müssen, hier, in diesem Loch, wo es weder Himmel noch Wind gab? Er barg sein Gesicht in Clares Haar und fühlte die seidigen Strähnen um seine Wange wirbeln. Was für eine Verschwendung! Was für eine verfluchte Verschwendung zweier Menschenleben! Und er hatte geglaubt, er hätte noch soviel Zeit…
Schon spürte er, wie ihm langsam schwarz vor Augen und Clares Umklammerung schwächer wurde, als die Strömung endlich nachzulassen schien. Vielleicht würde nun auch der Wasserstand sinken, und er drehte sein Gesicht aufwärts. Zu seiner unglaublichen Erleichterung stellte er fest, daß zwischen Wasser und Decke bereits ein schmaler freier Streifen entstanden war.
Begierig sog er den Atem ein, verlagerte aber gleichzeitig Clare in seinen Armen, damit er sie ein wenig anheben konnte. Clares Kopf brach durch die Wasseroberfläche, und sie begann augenblicklich zu husten und zu spucken. Ihr schlanker Körper verkrampfte sich unter der heftigen Reaktion ihrer malträtierten Lungen. In der bedrohlichen Finsternis kam sie ihm so unglaublich zerbrechlich vor, daß er sie unwillkürlich fester an sich zog.
Einige Minuten lang klammerten sie sich nur aneinander und genossen den Luxus, frei atmen zu können. Das Wasser sank, bis es knapp dreißig Zentimeter unter der Decke weiterströmte.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, was zum Teufel überhaupt geschehen ist?« fragte Nicholas.
Clare hustete wieder, und es dauerte eine Weile, bis sie wieder etwas hervorbringen konnte. »Die Sprengladung muß eine verborgene Quelle geöffnet haben. Das kommt gelegentlich vor, aber normalerweise ist die Auswirkung nicht so schlimm.«
»Und die Pumpe ist nicht funktionsfähig«, sagte er grimmig. »Hoffen wir, daß sie bald repariert ist.«
Der kalte Wasserstrom zerrte noch immer an ihnen, und der Holzpfeiler war ihr einziger Halt. Er tastete mit einem Fuß herum, bis er einen kleinen Absatz gefunden hatte, auf den er sich stellen konnte, damit sein Arm ein wenig entlastet wurde. Wie lange würden sie hier wohl hängen müssen? Irgendwann würden die Erschöpfung und Kälte ihren Tribut fordern. »Wenn der Wasserpegel wieder steigt, werden wir versuchen müssen, hinauszuschwimmen, allerdings könnten wir uns
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