Ein Spiel um Macht und Liebe
»Ich hätte zuerst fragen sollen, ob Sie schwimmen können.«
Sie schüttelte den Kopf. Dann fiel ihr ein, daß er sie ja nicht sehen konnte. »Leider nein.«
»Also gut, versuchen wir es mit mehr Vorsicht.«
Dieses Mal legte Nicholas ihre beiden Händen um den Balken und vergewisserte sich, daß sie sich gut festhielt, bevor er sich fortbewegte. »Das Wasser steht mir bis zum Kinn. Und die Strömung ist nicht mehr ganz so schlimm. Sie werden sich an meinen Rücken klammern müssen. Ich fände es ausgesprochen schade, Sie in der Dunkelheit zu verlieren.«
»Da bin ich absolut Ihrer Meinung«, sagte sie.
»Wo wir gerade von Dunkelheit sprechen, haben Sie nicht Feuerstein und Stahl dabei? Vielleicht können wir eine Kerze damit entzünden.«
»Haben Sie Ihre denn noch? Ich habe meine verloren, als das Wasser über uns
hinwegrauschte. Hätte sie besser fester verknotet. Mal sehen…« Platschend suchte er nach dem Kästchen und holte es an die Oberfläche. »Tut mir leid, der Inhalt ist völlig durchnäßt. Schade, daß ich nicht wirklich Old Nick bin – dann könnte ich mit einem Fingerschnipsen Kerzen entzünden.«
Das Wasser schwappte ihr entgegen, als er sich auf sie zubewegte. »Ich drehe Ihnen meinen Rücken zu«, erklärte er ihr. »Kommen Sie an Bord.«
Sie schlang die Arme um seinen Hals und ihre Beine um seine Taille. Er klemmte seinen linken Arm um ihr linkes Bein und begann dann durch das tiefe Wasser zu waten, wobei er den rechten Arm ausgestreckt vor sich hielt, um nicht gegen eine Wand zu laufen.
»Ich könnte mich an der Wand entlangtasten«, schlug Clare vor.
»Gute Idee. Dann können wir die Richtung besser halten.«
Er bewegte sich langsam und anmutig durch das Wasser, und seine Hüftmuskeln spannten sich auf höchst sinnliche Art an der Innenseite ihrer Schenkel. Plötzlich schoß ihr ein Gesprächsfetzen durch den Kopf, den sie einmal von einer Unterhaltung zweier Frauen aufgeschnappt hatte.
Die eine, eine ältere Witwe, hatte zu der anderen gesagt, sie sehne sich danach, endlich mal wieder einen guten Mann zwischen den Beinen zu haben.
Clare hatte rasch ihre Ohren vor dieser vulgären Bemerkung verschlossen, aber nun konnte sie sie besser verstehen. Obwohl sie natürlich wußte, daß die Witwe auf etwas anderes angespielt hatte, erzeugten Nicholas’ Bewegungen ein tiefe, lustvolle Sehnsucht zwischen ihren Beinen, die sich, von dort ausgehend, in ihrem ganzen Körper auszubreiten schien. Am liebsten hätte sie ihre Hüften an den seinen bewegt, um das Verlangen zu stillen.
Statt dessen vergrub sie ihr glühendes Gesicht nur in seinem Nacken. Wie sollten sie nach diesem Ereignis wieder zu einer normalen, ungefährlichen Beziehung zurückkehren?
Allerdings…. wann war diese Beziehung schon sicher gewesen? Seit sie auf Aberdare eingezogen war, um sich seiner Hilfe zu versichern, drohte ihrer Seele ständig Gefahr!
Während sie nachdachte, tasteten ihre Finger die rechte Wand ab und glitten über rauhen Fels, der gelegentlich durch Holz unterbrochen wurde.
Zweimal hatten sie bereits einen Nebenschacht passiert.
Dann berührte sie etwas anderes. Kühl und naß, aber nachgiebig, mit borstigen Stoppeln. Ihre Hand tastete sich tiefer und berührte rauhen Stoff. Sie stieß einen Schrei aus und fuhr zurück.
»Was ist?« fragte Nicholas.
Sie antwortete mit bebender Stimme. »Da… da ist ein Toter.«
Er blieb stehen. »Nicht zwingend. Könnte er noch am Leben sein?«
Die Haut hatte sich schwammig angefühlt, und der Gedanke daran ließ sie schaudern. »Ich glaube nicht.«
»Wahrscheinlich der arme Bodvill – bei dem ersten Schwall Wasser hat mich etwas gerammt, und es kann ein menschlicher Körper gewesen sein. Wenn ihm nicht mehr zu helfen ist, müssen wir ihn hierlassen, Clare!«
Sein nüchternen Tonfall half ihr, die Fassung zu bewahren. Ihre größte Angst war gewesen, daß es sich bei dem Toten um Owen handeln könnte.
Doch ihr Freund war glattrasiert, dieser hier nicht.
Nicholas setzte sich wieder in Bewegung.
Nachdem sie einen sicheren Abstand zu der Leiche hatten, wischte Clare sich die Hand an ihrem Schenkel ab – eine bedeutungslose Geste, da sie sich fast bis zum Hals im Wasser befand –
und streckte dann den Arm aus, um sich weiter an der Wand entlangzutasten.
Der Schacht kam ihr endlos vor, viel länger, als er bei Licht gewesen zu sein schien. Sie begann sich gerade zu fragen, ob sie vielleicht irgendwann versehentlich in einen Nebengang abgebogen waren, als
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