Ein Stern fliegt vorbei
erforschen, wie die Menschheit dieser Gefahr entgegentreten und sie abwenden kann.“
Lutz wußte, daß seine Zuhörer jetzt Zeit brauchten, das Gehörte zu verarbeiten. Er ließ ihnen Zeit. Doch dann berichtete er über die bisher ermittelten Tatsachen, die gewonnenen Einsichten, die eingeleiteten Maßnahmen. Seine nüchterne Sprechweise, die der Neuigkeit nach und nach alles Überwältigende nahm und sie zu einem technisch-wissenschaftlichen Problem machte, über das man nachdenken konnte, verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Bestürzung, die er auf einigen Gesichtern hatte lesen können, verschwand.
Dann berichtete er über die vor wenigen Tagen neu entdeckte Krankheit. Er schilderte die wenigen Anzeichen, die bisher bekannt geworden waren, und forderte namens der UKKA eindringlich alle auf, die in der letzten Zeit etwa ähnliche Anzeichen an sich beobachtet hätten, von der Teilnahme an der Expedition zurückzutreten – im Interesse ihrer erfolgreichen Durchführung, im Interesse der Menschheit.
Der letzte Teil seiner Ausführungen war weniger problematisch. Er betraf Änderungen des Expeditionsstatuts gegenüber den sonst üblichen Regelungen: Dem Kommandanten übergeordnet war ein kollektives Leitungsorgan, der Rat der Expedition, bestehend aus dem Kommandanten Kapitän Hellrath, seinem Assistenten Lutz Gemba, den beiden anderen Kapitänen, dem Chefarzt Sabine Hellrath und dem wissenschaftlichen Leiter Yvonne Gemba. (Yvonne hatte, wie damals noch die meisten Frauen, bei der Hochzeit den Namen ihres Gatten angenommen.) Der Rat war mit dem Recht ausgestattet worden, Entscheidungen des Kommandanten aufzuheben und alle Funktionen umzubesetzen. Auch erhielt die Vollversammlung der Expeditionsteilnehmer das Recht, mit Zweidrittelmehrheit das Statut abzuändern.
„Ihr werdet“, schloß Lutz, „vielleicht erstaunt sein über einige dieser Punkte, die an die Verhältnisse der Übergangsperiode zur entwickelten menschlichen Gesellschaft mit ihren Parlamenten, Abstimmungen, Mehr- und Minderheiten und anderen heute überholten Einrichtungen erinnern. Aber die UKKA ist davon ausgegangen, daß sie ja nicht in Anspruch genommen werden müssen, wenn es nicht nötig ist, daß aber eventuell durch psychische Belastungen besonderer Art Situationen entstehen können, die nach solchen Regelungen verlangen. Auch das, meine ich, unterstreicht noch einmal, wie notwendig die von euch geforderte gründliche Überlegung ist.“
Die letzten Tage flossen schnell dahin. Dann kam die feierliche Verabschiedung, mit Fernsehübertragung zur Erde, versteht sich, Reden, Händedrucke, sogar als besondere Überraschung frische Blumen – frisch aus dem Kühlschrank –, jeder kennt ja, im großen oder kleinen, solche Situationen. Dann kam der Start.
Was aber die Aufforderung betraf, sich die Teilnahme an der Expedition noch einmal zu überlegen, so hatten sich fünf Raumfahrer gemeldet, um von der Reise zurückzutreten. Es ist vielleicht nicht ganz gerechtfertigt, aber in einem gewissen Sinne könnte man heute, aus historischer Sicht, durchaus sagen, daß auch diese Art persönlichen Muts der Expedition half, alle Schwierigkeiten und Gefahren zu überwinden und kritische Situationen zu meistern, in denen – wer weiß? – vielleicht gerade diese fünf den Ausschlag zum Negativen hätten geben können.
V
Eine rote Abendsonne schickte ihre letzten Bronzepfeile durch das offene Fenster ins Zimmer. Es gab dazu Lindenduft und Bäumerauschen, einen meergrünen Himmel und ein rotgerändertes Stück Wolke. Man wußte schon, gleich würde das Vogelgezwitscher aufhören und die Dämmerstunde beginnen, die Yvonne und Lutz Gemba, beide aufgewachsen in gemäßigten Breiten, nicht missen wollten. Die Luft würde dann kühler hereinkommen und die Gesichter streicheln, man würde vielleicht ein-, zweimal von fernher einen Hund kläffen hören, aber man würde es doch nicht allzu lange aushalten, denn dann würde wieder der Wunsch übermächtig werden, hinauszugehen in diese Landschaft, die es gar nicht gab, zumindest nicht hier, fast zweitausend Astronomische Einheiten von der Erde entfernt, an Bord der SIRIUS.
Anfangs, vor nun schon fast anderthalb Jahren, als die Reise begonnen hatte, genossen alle Besatzungsmitglieder diese Einrichtung in vollen Zügen, zumal man sich sein Wetter zwar ein- und ausschalten, aber nicht aussuchen konnte. Nur die geographische Breite war wählbar, das Wetter selbst war für fünf Jahre nach den Aufzeichnungen der
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