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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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diese Bräuche – wie meist bei jungen Ehen – auf Außenstehende auch komisch wirken mochten, so halfen sie ihnen doch, sich aufeinander einzustellen und Abwechslung in ihr Leben zu bringen.
    Zu diesen etwas seltsamen, ein klein bißchen kindlichen und doch so freundlichen Bräuchen gehörte auch das gemeinsame Schweigen am Freitagabend, die Schummerstunde, aus Lutz’ mecklenburgischer Kindheit stammend. Sie hatten sie heute ziemlich ausgedehnt, und mittlerweile war es dunkel geworden. Lutz schaltete die indirekte Beleuchtung ein. „Wir haben heute abend Zirkus, willst du sehen?“ fragte er.
    „Zirkus?“ fragte Yvonne. „Meinetwegen.“
    Lutz stellte den Fernseher an. Kathleen Potter, in einem frühlingsbunten Kleid, sprach Nachrichten.
    „… Pflanzenzüchter statt. Der Weltkongreß legte die Eigenschaften von 520 neuen Nutzpflanzenarten fest, die durch gezielte Veränderungen der Erbinformation in den nächsten zehn Jahren geschaffen werden sollen.
    Kairo. Vor wenigen Tagen wurde die erste Etappe der Sahara-Bewässerung mit der Einweihung der Entsalzungskette längs der Mittelmeerküste abgeschlossen.
    Es folgen Bordnachrichten.
    SIRIUS. Erhebliche Abweichungen der Dichte der interstellaren Materie von den theoretisch zu erwartenden Werten würden…“
    „Sie macht das aber gut“, sagte Yvonne anerkennend. „Wie ein perfekter Filmstar.“
    „Sehr gut sogar“, antwortete Lutz mit einem leisen Lachen.
    Yvonne stutzte. „Warum lachst du da so hinterhältig?“
    „Sie kriegt sogar schon Hörerbriefe.“ Lutz schmunzelte. „Rate mal, von wem?“
    „Wie soll ich das raten? Wahrscheinlich von den anderen Schiffen, und vermutlich doch von Männern.“
    „Männer ist nun gleich übertrieben. Hauptsächlich von einem Mann, nämlich von…“
    „Das will ich gar nicht wissen, mein lieber Klatschonkel.“
    „Gut, dann nicht.“
    „Von wem also?“
    „Du kämst sowieso nicht drauf. Von Wolodja Schtscherbin, Kapitän der WEGA. Weißt du, daß ich mich darüber freue?“
    „Großer Grund zur Freude. So in der Nähe – und doch ganz unerreichbar. Sag mal, gibt es eigentlich die Möglichkeit, in solchen Fällen – ich meine, falls das ein ‚solcher Fall‘ wird – jemand auszutauschen?“
    „Es ist nicht vorgesehen“, antwortete Lutz nachdenklich, „doch wenn es nötig ist und der Rat beschließt es – warum nicht? Aber paß auf, jetzt kommt unser Zirkus!“
    Kat kündigte als ersten Miguel Hernandez als „Jongleur im schwerelosen Raum“ an. Gleich darauf zeigte das Bild eine der vielen Kammern in der rotationslosen Nabe des Raumschiffes. Miguel saß auf einem Stuhl, aber schon dieses Sitzen war eine Leistung im schwerelosen Zustand. Mit einem Ruck schnellte er auf, drehte sich dabei und kam mit den Füßen an die Decke, stieß sich ab, drehte sich wieder, immer schneller flog er zwischen Decke und Boden hin und her – und fing sich plötzlich ab, in die Knie gehend, und zwar so exakt, daß er nicht zurückgefedert wurde, sondern am Boden hocken blieb. Dann wurde eine Stange ins Bild gehalten, er zog sich daran in die Mitte des Raumes, so daß er keinen Kontakt mehr mit den Wänden hatte, und versetzte seinen Körper in Drehungen. Die Stange verschwand wieder, Miguel holte aus den Taschen seines Anzugs farbige Bälle und warf sie im Drehen an die verschiedenen Wände des Raumes, so daß er jeweils zur Stelle war, um die Bälle wieder zurückzuschlagen, wenn sie, von den Wänden abprallend, wieder in die Mitte des Raumes kamen. Dabei krümmte er sich immer weiter zusammen, so daß seine Drehung immer schneller wurde.
    „Ist das nicht direkt unheimlich, was er so aus sich herausholt?“ fragte Lutz. „Er ist doch sonst so unbeholfen.“
    „Mein Schüler“, prahlte Yvonne.
    „Und du warst zuerst gar nicht begeistert, daß er gerade dich als Lehrerin gewählt hatte.“
    Yvonne überging die Kritik. „Er kommt unheimlich schnell voran. Zuletzt hat er mir schon wesentlich geholfen bei der Modellierung von Duncans Resultaten.“
    „Allerhand“, sagte Lutz, nicht sehr interessiert. „Aber guck mal, was jetzt kommt!“



 
    Kat kündigte nun Ljuba Lushkina mit ihrem Löwen Nero an. Auf dem Bildschirm erschien eine angedeutete Arena, in der Mitte stand Ljuba, angetan mit Reithose und Frack, wie man das von alten, vorgeschichtlichen Zirkusbildern kannte. Auf einem Stuhl am Rande saß mit rührend-frommem Gesichtsausdruck ein lebensgroßer stilisierter Plüschlöwe. Die Dompteuse nahm eine

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