Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
übertönte zudem jedes andere Geräusch.
Womöglich ist der Kerl längst über alle Berge, dachte Mathilda noch, da spürte sie plötzlich einen Luftzug. Im nächsten Augenblick rumste sie mit jemandem zusammen.
Mathilda unterdrückte einen Schrei. Sie versuchte, sich auf dem Brett zu halten, doch sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Also sprang sie herunter, wodurch das Brett noch einmal ordentlich Schwung bekam. Es knatterte alleine weiter durch die Diele, bis der Motor abgehackt zu fröttern begann und schließlich ausging.
Fluchend befreite Mathilda sich aus dem Wäschestück. Neben ihr stöhnte der Jemand, mit dem sie zusammengestoßen war, und irgendwo hinter ihr rappelte ein anderer Jemand wie verrückt an einer Türklinke. Sie waren mittlerweile also zu dritt.
»Oskar, bist du das?«, wisperte Mathilda. Ihre Kaninchenohren wackelten.
»Nein«, war die gepresste Antwort, dann fiel die Haustür klackend ins Schloss.
»Opa Heinrichen?«
»Was zum Teufel machst du hier?«, fragte er. »Ich habe doch extra abgeschlossen, damit die nicht …«
Mathilda kämpfte sich aus dem Wäschestück hervor.
»Und wo warst du?«, zischte sie. »Du solltest doch auf der Treppe sitzen.«
»Schsch«, machte Opa Heinrichen. »Hilf mir mal hoch.«
Mathilda spürte Finger, die an ihr herumkrabbelten. Sie tastete danach, umfasste schließlich zwei dürre Handgelenke und half dem alten Herrn auf die Füße. »Hast du dir wehgetan?«, fragte sie.
»Darüber reden wir später«, raunte Opa Heinrichen. Er packte Mathilda am Pulli und zog sie tiefer in die Diele hinein.
Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Mathilda sah die graue Wand, auf die sie zusteuerten, und die dunkle Tür, die sich daraus hervorschälte.
»Wo bist du, du verdammter Kerl!«, schimpfte Opa Heinrichen.
Da löste sich eine schwarze Gestalt aus dem Türrechteck, huschte ein paar Schritte weiter und rappelte an der nächsten Klinke.
»Die Waschküche«, flüsterte Opa Heinrichen.
Dahinter war die Wand zu Ende und nach der Ecke kam die Tür zum Gästeklo.
»Hast du die etwa auch abgeschlossen?«, fragte Mathilda.
»Natürlich nicht«, wisperte Opa Heinrichen.
Er hatte es kaum ausgesprochen, da ertönte ein Knarzen – und kurz darauf ein verzweifeltes Stöhnen.
»Los!«, befahl Opa Heinrichen.
Mit einem Satz hechteten sie zur Toilettentür und stießen sie mit aller Kraft zu. Mathilda tastete nach dem Schlüssel und drehte ihn um.
Oskar konnte nicht sagen, wie lange er schon mit zwei Klopapierrollen in den Händen und dem Gummistiefel unter dem Arm neben der Schubkarre ausgeharrt hatte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor und allmählich reifte in ihm die Überzeugung heran, dass die ganze Aktion gründlich danebengegangen sein musste. Wahrscheinlich lagen Mathilda und Opa Heinrichen gefesselt und geknebelt im Haus, und er stand noch immer hier wie ein Idiot und wartete auf einen Einbrecher, der längst über alle Berge war.
Plötzlich ertönte hinter dem Toilettenfenster ein Poltern. Oskar fuhr zusammen. Wie gebannt starrte er auf das Fenster, und als es endlich aufgerissen wurde, rutschte ihm vor Schreck der Gummistiefel weg und fiel zu Boden. Oskar wollte sich gerade nach ihm bücken, da tauchte ein Gesicht im Klofenster auf. Es sah ihn an, stieß einen Schrei aus und verschwand sofort wieder. Oskar schnellte hoch und warf die beiden Klopapierrollen hinterher. Anschließend griff er sich die nächsten aus der Schubkarre und katapultierte wie ein Roboter eine Rolle nach der anderen durch das Fenster in die Gästetoilette.
Einige kamen postwendend wieder herausgeflogen, doch davon ließ Oskar sich nicht beirren. Er klaubte sie auf und stopfte unverdrossen eine Klorolle nach der anderen durchs Fenster, bis endlich Mathilda und Opa Heinrichen hinter ihm auftauchten.
»Alles klar?«, keuchte Mathilda.
»Alles klar«, keuchte Oskar zurück. Er zitterte am ganzen Körper.
»Dann wollen wir mal schauen, wer uns da ins Netz gegangen ist«, brummte Opa Heinrichen. Er zog eine Taschenlampe unter seiner Strickjacke hervor und leuchtete in den Toilettenraum hinein.
Oskar und Mathilda linsten an ihm vorbei und blickten in ein Chaos aus Klopapierrollen, Händen, Hosenbeinen – und einem käsebleichen Gesicht.
»Julius!«, brüllte Mathilda. »Duuu? – Aber wieso denn du?«
Das also ist letztens der Haken an der Sache gewesen, als Mathilda und ich das erste Mal zur Tankstelle gelaufen und dabei meine Schritte nicht
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