Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
gesteckt? Und das ausgerechnet heute, wo er ihn so dringend brauchte!
Oskar starrte seine Mutter an und überlegte. Sollte er es wirklich wagen und seine Hand unter ihr Kopfkissen schieben? – Nein, das Risiko, dass sie aufwachte, war viel zu groß. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Sein Blick wanderte über das Bettzeug am fahlen Strahl des Mondlichts entlang bis zum Vorhangspalt. – Natürlich: das Fenster!
Oskar ging auf alle viere hinunter und fischte den Gummistiefel unter dem Bett hervor. Dann huschte er in die Federn zurück und kroch mit dem Oberkörper unter den Vorhang. Der Griff knarzte ein wenig, als er ihn umlegte, und der Rahmen des Fensterflügels gab beim Öffnen ein schmatzendes Frrroppp von sich.
Oskar presste den Gummistiefel gegen seine Brust und sog die laue Nachtluft ein.
Plötzlich bewegte sich die Matratze. Oskar hörte auf zu atmen. Angespannt wartete er darauf, dass seine Mutter ihn an den Füßen packte und ins Bett zurückzog. Doch nichts dergleichen geschah.
Oskar entspannte sich wieder. Blitzschnell kletterte er über das Sims in den Garten hinaus und zog den Fensterflügel in den Rahmen zurück.
Opa Heinrichens Wohnhaus lag still und dunkel da. Unter dem Fenster der Gästetoilette erkannte Oskar die Schubkarre mit den Klopapierrollen. Gegenüber war die Mauer zu Frau Seselfinks Garten. Die Dunkelheit hatte sie zum Greifennah ans Gartenhaus gerückt. Ihr Schatten legte sich wie ein schwarzer Teppich über die Blumenwiese.
Oskar schluckte das enge Gefühl im Hals weg. Wie spät mochte es inzwischen wohl sein? Hoffentlich war Mathilda schon bei der Hecke.
Geduckt drückte er sich an der Wand des Gartenhauses entlang auf die andere Seite und achtete panisch darauf, dass die schrulligen Schattenhände der Obstbäume nicht nach seinen Füßen griffen. Neben der Gartenhaustür verschnaufte er kurz, dann fixierte er die Hecke und machte genau dreiundneunzig Schritte.
»He, Oskar!«, wisperte Mathilda. Ein Rascheln ertönte und dann stand sie plötzlich vor ihm. »Himmel noch mal, du bist ja schon wieder im Schlafanzug!«
»Meine Sachen liegen in der Wohnküche«, wisperte Oskar zurück. »Meine Mutter hat den Schlafzimmerschlüssel so gut versteckt, dass ich ihn nicht finden konnte. Aber ich glaube, ich bin gar nicht mehr mondsüchtig.«
»Schsch!«, Mathilda presste ihm ihre Finger auf den Mund. »Nicht so laut! Wieso hast du eigentlich diesen dusseligen Gummistiefel dabei?«, fragte sie dann.
»Der ist nicht dusselig«, sagte Oskar.
Mathilda nickte. »Ach so ja, stimmt«, murmelte sie. »Hab ich ganz vergessen. Tut mir leid.«
»Schon gut«, sagte Oskar und drückte den Gummistiefel fest gegen seinen Bauch.
»Vielleicht solltest du ihn besser anziehen«, meinte Mathilda und deutete auf seine nackten Füße. »Dann musst du ihn nicht so blöd mit dir rumschleppen.«
»Tu ich doch gar nicht!«, zischte Oskar. »Du hast wirklich keine Ahnung.«
Mathilda seufzte leise. »Reg dich nicht auf«, raunte sie. »Ich hab’s ja nicht böse gemeint.« In der Tat lagen ihren Kommentaren eher praktische Überlegungen zugrunde. Noch einmal zeigte sie auf seine Füße. »Hoffentlich frierst du dir nicht den Arsch ab.«
Oskar schüttelte den Kopf. So kalt war es doch gar nicht!
Doch nachdem Mathilda und er zum Gartenhaus zurückgehuscht waren und dort eine Weile im Schatten auf den Klappstühlen gehockt hatten, sah die Sache völlig anders aus. Schon bald fühlten sich Oskars Füße wie Eisklumpen an, und der seichte, kühle Wind, der an seinen Haaren und dem Schlafanzug zupfte, jagte ihm eine Gänsehaut nach der anderen über den Körper. Mittlerweile schlugen Oskars Zähne aufeinander und er zitterte wie Espenlaub.
»Mann, hoffentlich kommt der Kerl bald!«, zischte Mathilda. »Du weckst mit deinem Zittergeklapper ja noch die ganze Nachbarschaft auf.«
»Und ich hoffe, dass Opa Heinrichen nicht eingeschlafen ist«, klapperte Oskar.
»Mann!«, fuhr Mathilda ihn an. »Mach mich jetzt bloß nicht wahnsinnig!«
Oskar zuckte zusammen. Einen Augenblick lang hörte er auf zu bibbern, dann klapperte er weiter.
»Ich hol dir jetzt eine Jacke und ein paar Schuhe von mir«, brummte Mathilda und stand von ihrem Hocker auf.
»Nein!«, kreischte Oskar. »Das dauert viel zu lange.«
»Quatsch, das dauert keine zwei Minuten«, erwiderte Mathilda und lief los.
»Und wenn er ausgerechnet in diesen zwei Minuten kommt?«, quiekte Oskar.
Mathilda stoppte. Sie wirbelte herum und
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