Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
stapfte zu ihm zurück.
»Okay, okay«, sagte sie. »Kannst du irgendeine Tierstimme nachmachen?«
»Was?« Oskar schüttelte den Kopf. »Wieso?«
»Also nein«, sagte Mathilda und stöhnte. »Nicht mal einen klitzekleinen Frosch?«
»Äh … ich weiß nicht«, klapperte Oskar.
»Oder eine Klapperschlange?«, scherzte Mathilda, obwohl ihr überhaupt nicht nach Witzeln zumute war.
Oskar presste die Lippen aufeinander und sah Mathilda wütend an. Er fand, dass sie doch keine Torte verdient hatte. Zumindest nicht, wenn sie so weitermachte. »Quaaak!«, quakte er ihr ins Gesicht, nachdem er ebenfalls von seinem Hocker hochgeschossen war.
»Quowok«, antwortete Mathilda wie ein echter Frosch, blies die Backen auf und verdrehte die Augen. »Ich bin indrei Sekunden wieder da«, sagte sie dann, sauste los und verschwand um die Ecke des Gartenhauses.
» … zwei … drei … vier … dreiunddreißig … sechsundsiebzig …«, zählte Oskar, während er von einem Bein aufs andere hüpfte und dabei die Straße und den Zuweg zum Haupthaus im Auge behielt.
»Das waren fünfhundertundvier«, sagte er vorwurfsvoll, als Mathilda endlich wieder auftauchte.
Sie trug die Hasenohren, den Sonnenhut, die Nickelbrille und die Halskrause. Oskar warf sie ein Paar Herrenschuhe, eine schwarze Anzugjacke, einen Zylinder und einen Vollbart vor die Füße. »Fünfhundertundvier was?«, wollte sie wissen.
»Sekunden.«
»Geteilt durch drei macht hundertachtundsechzig«, sagte Mathilda. »Ist doch wunderbar.«
»Ja, aber weiter geht es nicht«, entgegnete Oskar, während er die Jacke überstreifte.
»Was geht nicht weiter?«, fragte Mathilda, pappte ihm den Bart ins Gesicht und pflanzte den Hut auf seinen Kopf.
»Hundertachtundsechzig durch drei macht sechsundfünfzig und das war’s«, sagte Oskar. »Sechsundfünfzig lässt sich nicht mehr durch drei teilen.«
»Na und? Zweimal wird doch wohl genügen«, behauptete Mathilda. Eigentlich hatte sie gedacht, dass ein einziges Mal schon vollkommen ausreichend wäre.
»Nein!«, stieß Oskar hervor. »Das tut es nicht. Außerdem sind die Sachen viel zu groß«, schimpfte er, nachdem er sich auch noch die Schuhe angezogen hatte.
»Hauptsache, dir ist nicht mehr kalt«, sagte Mathilda.
»Keine Sorge«, knurrte Oskar und funkelte sie unter der Krempe des Hutes hinweg zornig an.
»Du siehst richtig gefährlich aus, weißt du das«, sagte Mathilda.
An ihrer Miene war zu erkennen, dass sie es ernst meinte, dabei hätte Oskar sich am liebsten auf der Stelle den kratzigen Bart heruntergerissen. Doch dazu kam es nicht mehr. Denn in diesem Moment ertönte ein tapsendes Geräusch hinter ihnen.
Oskar und Mathilda fuhren herum. Angestrengt starrten sie in die Dunkelheit.
»Siehst du was?«, hauchte Mathilda.
Oskar schüttelte den Kopf.
»Aber gehört hast du es doch auch, oder?«
Oskar nickte. Er ließ seinen Blick über die mondlichthelle Wiese, die bizarren Schatten der Bäume, das stockfinstere Mauerrechteck und die Hecke gleiten. Dabei drehte er sich langsam um sich selbst, und da sah er es plötzlich durch die Blätter der umliegenden Sträucher hindurch flackern – das kleine Licht auf der Straße, das sich langsam Opa Heinrichens Grundstück näherte.
»Da kommt jemand«, presste er hervor.
Mathilda keuchte leise. Ihre Finger krallten sich in Oskars Arm fest.
Das Licht verlangsamte sich und erlosch genau an der Pforte.
»Das ist er!«, wisperte Mathilda. »Los, Oskar, auf deinen Platz!«
Sie ließ seinen Arm los und verpasste ihm einen Schubs. Dann huschte sie in die Deckung des Gartenhauses zurück und kauerte sich an die linke vordere Ecke. Von hier aus konnte sie zumindest einen Teil des Zuwegs überblicken.
Mathilda hörte, wie Oskar in seinen viel zu großen Herrenschuhen davonraschelte, dann vernahm sie das leise Quietschen der Pforte und sah den langen Schatten, der sich langsam auf das Haus zuschob.
Mathildas Herz pochte wie verrückt. Jetzt gab es kein Zurück mehr, sie konnte nur noch beten, dass Opa Heinrichen drinnen im Flur auf der Treppe saß und seinen Einsatz nicht verpasste. Und dass der Täter nicht doch noch unerkannt entkam.
Mit angehaltenem Atem wartete sie, bis der Schatten verschwunden war, dann drückte sie die Hasenohren ein wenig herunter und huschte ebenfalls tief geduckt auf das Haupthaus zu, tastete sich an der Außenwand entlang und erreichte die Außenkante. Vorsichtig linste sie um die Ecke. Vor dem Haus war niemand mehr. Der Täter musste
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