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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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den ganzen Tag draußen in der Hitze. Also ist er los und hat sich ’ne normale Pfirsichkiste aus Holz besorgt und mit süßem Heu aufgefüllt und mit ’ner Schnur zugebunden und hat sich das Ganze geschnappt und ein paar Gewichte drangebunden und es da rausgeschleppt und da, wo das mittlere Ding ist, ins Wasser geworfen und hat Schwimmer aus diesen Prestone-Kanistern drangehängt und ’nen Haufen Würmer und Kakerlaken und Grillen auf ’nen Dreierhaken gesteckt und einen davon an jeden Kanister gebunden und sie neben seinem Heuballen ausgelegt, und die Fische können’s kaum erwarten, anzubeißen. Und alle zwei, drei Tage kommt er hierher und paddelt da rüber und guckt nach seinen ›Langleinen‹ – so nennt er die, obwohl das überhaupt keine echten Langleinen sind.«
    Er überlegte, warum es überhaupt nötig wäre, noch irgendwas zu tun, wenn da schon die Fische angebissen hatten und nur darauf warteten, aus Landrieus Fischfalle hochgeholt zu werden. Sie brauchten sie bloß rauszuholen und konnten wieder nach Hause fahren und sich das mit diesem Telefonieren aus dem Kopf schlagen, was immer das auch sein sollte. Er schaute eine ganze Weile auf den Hinterkopf des alten Mannes.
    »Warum können wir uns nicht einfach ein paar von Landrieus Fischen besorgen?« fragte er und sah stirnrunzelnd auf die im Wasser treibenden Kanister.
    »Weil’s nicht unsre sind«, schnauzte der alte Mann zurück, wandte seinen Kopf zu ihm um und blickte ihn überrascht an. »Aber ich will Ihnen mal was erzählen«, sagte er und lächelte seltsam, »Landruu ist ein ulkiger alter Nigger. Wenn er hier rauskommt, dann rudert er nicht gleich rüber zu diesen ganzen Kanistern. Er bastelt sich so ’ne Angelrute aus Rohr zusammen und schnappt sich ’n Haufen von seinem Tagesmenü, Würmer oder Kakerlaken, oder was er gerade ›züchtet‹, fängt da unten bei den umgestürzten Baumstämmen an und niggert sich den ganzen Weg hoch bis hier rauf.« Der alte Mann grinste ihn verwundert an, als wäre Landrieu ein lebendes Rätsel, das es mit jedem anderen Rätsel aufnehmen konnte. Er konnte sich wohl überhaupt nicht vorstellen, daß Landrieu sich mit großem Vergnügen der angenehmen Zerstreuung des Angelns überließ, bevor er sich der eigentlichen Aufgabe zuwandte, die Fische herauszuholen. »Er kommt gern hierher und setzt sich stundenlang hier hin und guckt sich die Teichrosen an«, sagte der alte Mann und grinste, um zu zeigen, daß er Landrieu aufrichtig mochte, aber das Recht hatte, als Landrieus Hauptkritiker und -berater über ihn Gericht zu halten. Er drehte sich beinahe ganz herum, und seine Augen waren groß und rund und sein Gesicht gerötet. »Und dann erzählt er mir: ›Und auf einmal, Mr. Lamb, sind die Barsche so richtig aus’m Wasser gezischt und haben die kleinen Moskitos von den Blättern geschnappt und lauter komische Geräusche gemacht, ah-scha-scha-scha-ah-scha-scha-scha, und das Wasser zum Kochen gebracht wie zwei Schweine in ’nem Schlammloch.‹ Und dann fragte ich ihn: ›Na, und was hast du dann gemacht, Landruu?‹ Und er sagte, so richtig verlegen: ›Oh, Mr. Mark, ich bin da ganz vorsichtig mit meinem Boot rangefahren und hab meinen kleinen Haufen Würmer auf eins von den Blättern gelegt, und dann hat sich einer von den großen Oschis den Haken da weggeholt, wie der Herrgott ein gelähmtes Baby wieder in den Himmel holt.‹« Dem alten Mann gefiel seine eigene Geschichte überaus gut. »Aber ich sage Ihnen«, sagte er keuchend, »Landruu ist vielleicht so ’n richtiger Angler, aber eines Abends mußte ich ihn nach Helena bringen, mit ’nem Dreierhaken in der Stirn, der ihm schon fast im Gehirn stak. Einer von den großen Barschen hatte mal ’nen Vorstoß nach seinem Wurm auf einem der Seerosenblätter gewagt, und Landruu wurde ganz aufgeregt und zerrte das Ding viel zu schnell zurück, und der Haken hat sich ihm in den Kopf gebohrt wie ’n Dachdeckernagel. Und ich durfte den Blödmann nicht anfassen. Ich sagte: ›Landruu, ich hol ’ne ganz feine Zange, und mit zwei Drehungen hab ich das wieder draußen.‹ Und er sagte: ›Nein, Sar, bringen Sie mich zur Notaufnahme, das is’ doch ’n Notfall.‹« Mr. Lamb blickte ihn an und stellte Landrieus sehr weitgefaßte Vorstellung von einem Notfall ernsthaft in Frage. Der alte Mann drehte sich wieder um und musterte die Biberhütte, während sie am Boot vorüberglitt.
    Als das Boot an der Biberhütte vorbeigetrieben war, hielt Mr. Lamb sofort den Finger

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