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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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ausfüllen und selbst noch den Verputz an den Wänden rissig machen. Und er wollte bloß raus.
    »Landrieu«, sagte Mrs. Lamb und schloß ihre Augen.
    Landrieu sperrte den Mund auf, als würde es ihn schon in Verruf bringen, wenn man ihn auch nur in der Nähe dieses Ortes antraf. »Ja, Ma’am«, sagte er, warf einen bösen Blick auf ihn und auf Newel und einen schnellen auf den alten Mann.
    »Ruf jetzt Rupert Knox an.«
    »Ja’m«, grunzte Landrieu. Er machte einen großen Schritt rückwärts und war verschwunden, und Newel gleich hinter ihm her.
    »Mr. Hewes«, sagte sie mit der gleichen unerschütterlichen Geduld. Ihr Gesicht war wieder im Dunkeln.
    Mr. Lambs Mund klappte auf und kam nach einigen Zentimetern wieder zur Ruhe.
    »Ma’am«, sagte er.
    »Ich habe Ihr Geld auf den Eßtisch gelegt. Mark wäre Ihnen für Ihre Treue dankbar gewesen. Seine Pistole lassen Sie bitte in der Gin Den.«
    »Ja, Ma’am«, flüsterte er und konnte dann auf einmal ihr Gesicht in der Dunkelheit erkennen. »Mrs. Lamb, es tut mir leid um ihn«, sagte er. Er konnte hören, wie Newel und Landrieu die Vordertreppe hinuntertrampelten, mitten in den Sturm hinein.
    »Er hat die letzte Nacht am richtigen Ende des Bettes geschlafen«, sagte sie gedankenverloren.
    »Ja, Ma’am.«
    »Wenn es Frühling wurde, hat Mark immer mit dem Kopf am Fußende geschlafen. Er dachte, das würde seinen Kreislauf stabilisieren. Und als ich heute morgen aufgewacht bin, schlief er mit seinem Kopf neben meinem, und ich sagte: ›Mark, warum schläfst du denn am Kopfende bei mir?‹ Und er sagte: ›Weil ich, als ich ins Bett gegangen bin, gedacht habe, daß ich sterben werde, und ich wollte nicht wie ein Idiot falsch herum daliegen. Ich hatte so ein Gefühl, als würde mein Herz stehenbleiben.‹ Und das hat es dann wohl getan, nehme ich an. Ich habe mich schon den ganzen Tag darauf vorbereitet, und nun bin ich’s.«
    »Ja, Ma’am«, sagte er, schaute suchend im Dunkeln herum und war nicht imstande, die Tapete zu erkennen. »Es tut mir leid um ihn«, sagte er.
    »Nicht so sehr wie mir, Mr. Hewes«, sagte sie.
    Und das war der Augenblick, in dem er gehen mußte. Er ging kurz ins Eßzimmer, schnappte sich seinen Geldumschlag, der zugeklammert und säuberlich mit Bleistift beschriftet war, und eilte in den Regen hinaus und dachte über Situationen nach, in die man hineingezogen wird und die einen wie einen Lappen auswringen und einen in den Regen hinausschicken, wenn man nicht mehr gebraucht wird und zu nichts mehr taugt.

2
    Landrieu humpelte zur Gin Den und trug seinen gelben Regenmantel, in dem sein Gesicht kalt wie die Nacht wirkte. Er steckte den Kopf in den Eingang und sagte, er sei soweit. Er holte seine Waffe unter dem Sitz hervor, legte sie mitten aufs Bett, zog seine Regenjacke an und stand in der Tür, während Newel eine alte Malerplane hervorzerrte und sich über die Schultern breitete, und dann fuhren sie zu dritt im Jeep davon, und Landrieu steuerte, während Newel mit finsterem Gesichtsausdruck vorn kauerte.
    Als sie den Hügel erreichten, warf Landrieu dem See einen drohenden Blick zu. Das Wasser stieg an, und das Lager war nicht zu sehen, und er konnte durch den Regen hindurch nur die Schemen der Uferweiden erkennen.
    Landrieu band den Traveler los, und sie beide schleiften das Boot ins Wasser. Landrieu zog den kleinen All-State-Motor aus dem Gebüsch unter einem wasserdichten Kunstdüngersack hervor und schraubte ihn aufs Heckwerk. Dann begann er, auf den Gaskolben zu drücken und an der Kurbel zu drehen, und starrte dabei auf den See hinaus, als sehe er die Vision seines eigenen Untergangs.
    »Dann schiebt ma’ los«, schrie Landrieu gehässig und pflanzte sich im Bug auf. Und sie wuchteten das Boot hoch, bis es aus dem Schlamm herausglitt und Fahrt aufnehmen konnte. Newel kauerte sich mitten im Boot unter seiner Segeltuchplane zusammen, und der Regen lief an seinen Wangen herab und tropfte auf seine Hose. Sie saßen beide Landrieu gegenüber, der sie weiterhin böse anblickte, als würden sie seine Fähigkeit, das Boot zu steuern, schon durch ihre bloße Anwesenheit in Zweifel ziehen, und als der Bug zwischen den Bäumen ins Freie hinausglitt, drehte er das Ruder blitzschnell zur Seite und steuerte das Boot in den Wind, und Newel stürzte zu Boden.
    »Was machen wir mit der alten Dame?« schrie Newel, als er wieder auf der Bank saß. Das Wasser schlug immer heftiger gegen das Boot, als würde an der Unterseite Metall

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