Ein Stueck vom Himmel
mit!«
Ada war begeistert von Großvaters Wand, lobte ihn immer wieder, wie gut er die leichteste Durchstiegsmöglichkeit gefunden hatte. Sie bewunderte aber den Großvater auch noch deswegen, wie er seine Erstbegehungen zum großen Geschäft gemacht hatte. Nicht nur die Ladiner sind geschäftstüchtig – auch die Ladinerinnen.
Am Ausstieg aus der Wand holte Ada einen kleinen Taschenspiegel aus dem Anorak und begann damit Blinksignale ins Tal zu geben. Sie wollte ihrer Mutter melden, dass sie gut auf dem Gipfel angekommen ist. Das Spiegeln vom Berg hinunter ins Tal ist ein uraltes Verständigungsmittel der Familie Dimai. Schon der Urgroßvater hat damit die Urgroßmutter unten in Cortina beruhigt.
Am Abend dieses Tages kochte Mutter Juditha für uns alle »Fartaies«, eine ausgebackene Mehlspeis, die hatten schon Vater und auch Großvater Dimai nach einer Tour immer gerne gegessen.
In diesem Dolomitenurlaub haben wir auch die Col-Rosà-Südostwand durchstiegen.
Wir waren an diesem Tag ganz auf Genusstour eingestellt: kurzer Zustieg, kurzer Abstieg, nach dem Dolomiten-Kletterführer nur eine Tour im III. Schwierigkeitsgrad.
Wir schliefen lang, frühstückten gemütlich und nachher bummelten wir gemächlich zum Einstieg. Wir hatten keinen besonderen Respekt vor der einstigen Klettershow-Wand.
So wie in allen Dimai-Wänden würden sich auch in dieser die von der Ferne aus gesehenen grimmigen Steilabstürze beim Näherkommen in leichten Fels auflösen.
Jui, haben wir dumm dreing’schaut, als wir dann unter einer prallen, gelbroten Wand standen und sich nichts, überhaupt nichts auflöste ...
Vergebens suchten wir den Felsspalt, der als Kamin 80 Meter durch die Wand führen sollte.
Im linken Wandteil entdeckten wir dann ein Risssystem. Da wir sonst keine andere Möglichkeit sahen, stiegen wir ein. Der Riss war schwer, fiel mir gar nicht leicht. Oder bist du heute nur in einer lausigen Form, Charly?, dachte ich im Stillen. Fritzerl kam nach ... »Du, ich bin heute gar nicht in Form!« Eine Superseilschaft war da unterwegs!
20 Meter über uns ein Dachüberhang. Von weiter unten hatte ich geglaubt, dass man ihn umgehen könne. Man konnte nicht. Außerdem störte mich etwas: Für eine einstige Klettershow-Wand sah der Fels zu wenig abgegriffen aus.
Nach zwei Stunden gaben wir es auf, den richtigen Weg zu suchen. Rückzug. In Cortina wollten wir in dem italienischen Spezialführer die genaue Wegbeschreibung nachlesen.
»Ich habe heute mit dem Fernglas oft zum Gipfel geschaut, aber euch nicht gesehen!«, begrüßte uns Cinto. Salz in eine offene Wunde.
Im italienischen Führer sahen wir auf der Routenskizze, dass der Dimaiweg genau dort hinaufführte, wo wir beim Vorbeigehen gesagt hatten, dass wir zu unserem Glück da nicht hinaufklettern müssen. Und dass wir an diesem Tag eine Neutour angeknabbert hatten, die wahrscheinlich noch gar keine zweite Begehung hatte (wie uns Cinto sagte).
Am nächsten Morgen zogen wir schon zeitig in der Früh los. Einstieg also dort, wo wir nicht glauben wollten, dass es da einen Einstieg gibt.
Gleich nach einer senkrechten Wandstelle folgt ein leicht überhängender Riss, der von einem vollsaftigen Grasüberhang abgeschlossen ist. Unter diesem Grasdach steckte ein uralter, schon stark nach abwärts gebogener Mauerhaken. In ihn dürften schon etliche Kletterer hineingerasselt sein ...
Dann mussten wir den Beginn des 80-Meter-Kamins finden. »Vielleicht ist’s das dünne Risserl über dir?«, meinte Fritzerl.
»Das dünne Risserl ist kein Kamin!«
»Alles fängt im Leben einmal klein an!«
»Also, wenn dieses Risserl einmal zum Kamin wird, dann fresse ich heute Abend einen Häuslbesen!«, sagte ich – und musste dann grimmig feststellen, dass das Risserl hinter einer Kante tatsächlich zum Kamin wurde.
Immer mehr begeisterte uns die Kletterei in dieser Wand, vor allem wegen der recht originellen Kletterstellen. Zuletzt waren wir schon neugierig auf die Schlusswand, von der es in der Wegbeschreibung heißt, dass sie über »eine Art fast senkrechtes Band« zum Ausstieg führt.
»Eine Art fast senkrechtes Band« – so etwas waren wir noch nie in unserem Leben geklettert.
»Ich würde sagen, das ist eine Rampe!«, sagte Fritzerl, als wir darunter standen.
Ich hing mit dem linken Fuß gerade in einem Riss und spreizte mit dem rechten an der Wand höher ... »Oder sollte man besser sagen: Das ist eine Verschneidung?« – In Fritzerl war die ehemalige Frau Lehrerin wieder
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