Ein Stueck vom Himmel
Eigerwand gemacht?«
Erst 1947 gelang Franzosen in drei Tagen die zweite Begehung der Eigerwand und einer Schweizer Seilschaft in zwei Tagen die dritte Begehung. Und 1950 kletterten Erich Waschak von unserer Bergsteigergruppe mit Leo Forstlechner bei der vierten Begehung in einem Tag durch die »schwerste Wand der Alpen«.
Waschak meinte damals, dass ich der nächste Eiger-Nordwandmann unserer Bergsteigergruppe sein müsste. Ungläubig schaute er mich an, als ich sagte, dass mich die Wand überhaupt nicht reizt. »Die Wand hat nur eine einzige Stelle, die über den vierten Schwierigkeitsgrad hinausreicht!«
»Auch wenn sie nur ein harmloser Dreier wäre – i mag den ganzen Eiger nicht!«
Erich gab es auf, aus mir einen Eiger-Nordwandmann zu machen. Die beiden »bärenstarken Österreicher« (Leo war Holzknecht, Erich Medizinstudent) hatten ideale Verhältnisse in der Wand gehabt, waren in Topform – und hatten mit der Durchsteigung in einem Tag einen Nimbus zerstört. So schwer kann die Eigerwand doch nicht sein ...
In den noch verschneiten Felsen unseres Peilsteins waren dann schon im Februar Kletterer unterwegs, die (ganz im Vertrauen und nicht weitersagen!) für die Eigerwand trainierten.
Nur einer verschwieg es nicht, dass er für die Eigerwand trainierte. Mit einem zehn Kilogramm schweren Rucksack kletterte er bei klirrender Kälte an den Zehnmeterfelsen in unserem Wienerwald, marschierte auch bei dichtem Schneetreiben durch die Gegend ... »Härtetraining!«
Doch alle, die ihn näher kannten, wussten, dass der »Eigermann«, wie er bald genannt wurde, in der Eigerwand nicht die kleinste Chance hatte.
»Wenn man die Eigerwand gemacht hat, dann ist man wer!«, hatte er einmal zu mir gesagt. Er brauchte eine Selbstbestätigung, die Eigerwand sollte seinem Leben einen Sinn geben. Zum Berg hatte er keine Beziehung, von den Schwierigkeiten der Wand keine Ahnung.
Einige Jahre später traf ich wieder einmal den Eigermann mit dem Eigerrucksack auf dem Buckel ... Härtetraining. Ich hatte das Gefühl, dass er jetzt nicht mehr daran glaubte, einmal tatsächlich in die Eigerwand einzusteigen, dass nur noch das Training für die Wand zu seiner großen Herausforderung geworden war (wobei dieser Begriff damals noch nicht so abgegriffen war wie in heutiger Zeit, in der bald auch der Gang aufs Häusl als Herausforderung angesprochen werden wird).
Von den vier Erstbegehern der Eigerwand ist Ludwig Vörg im Zweiten Weltkrieg gefallen. Die drei anderen habe ich am Berg kennengelernt. Fritz Kasparek war damals für uns Junge mehr als nur einer der Eigerwandbezwinger. Er war für uns ein Klettergott, für den nichts zu schwer war und dem nichts passieren konnte.
Einmal im Krieg kam er als Soldat auf der Durchreise nach Wien und erschien überraschend auf dem Peilstein. Eigentlich hatte er nur kurz schauen wollen, »ob unser Peilstein noch steht«. Doch als er dann am Fuß der Wände stand, war die Versuchung zu groß und er kletterte in schweren Soldatenstiefeln mit glatter Ledersohle den Vegetariersteig hinauf.
Keiner fand das als leichtsinnig. Ein Fritz Kasparek konnte nicht abstürzen.
Als wir 1954 erfuhren, dass er in den Anden mit einer Schneewechte tödlich abgestürzt sei, konnten wir das einfach nicht glauben. Ich hör’s noch immer, wie einer von uns damals ganz leise sagte: »Dann kann also wirklich niemand am Berg ganz sicher sein!«
Heinrich Harrer war 1952 nach seiner abenteuerlichen Flucht aus Tibet wieder nach Österreich zurückgekehrt. Der Schroll-Verlag (in dem ich damals arbeitete) war an dem von ihm zu erwartenden Buch interessiert. Fritz Kasparek stellte die Verbindung her, und mein Chef und ich fuhren nach Kitzbühel, um mit Harrer zu verhandeln. Leider hatte er schon einen Tag vorher mit dem Ullstein-Verlag einen Vorvertrag abgeschlossen. Es war ein wunderschöner Samstagnachmittag. Ich fragte Harrer, ob er nicht Lust hätte auf eine kleine Sonntagskletterei im Wilden Kaiser. Lust hatte er schon – aber seit neun Jahren sei er nicht mehr im Fels gewesen. Und die Ausrüstung ...
Er fand eine alte Keilhose und ein Kitzbüheler borgte uns ein Seil. Ich hatte bloß Bergschuhe und Berghose im Gepäck, musste also in meinem schönen Geschäftsbesprechungs-Sakko klettern. Als wir am Abend den Hofer Peter von der Gaudeamushütte nach einer Routenbeschreibung vom Kopftörlgrat fragten, wurde er wild ... »Seid’s ihr narrisch! Der Kopftörlgrat ist doch nix für solche Leut, wie ihr es
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