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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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Schneesturm im »Land, wo die Zitronen blüh’n«?

Abseilen von der Gipfelnadel des Salbitschijen in den Urner Alpen

Sepp Brunhuber (rechts) und Karl Lukan (oben) 1947 in der Torsäule-Südverschneidung

Damals wussten wir noch nicht, dass diese Form der »Express-Begehung« einmal als »Speed-Klettern« modern werden würde
.

Meine ersten Kletterschuhe hatten Sohlen aus geflochtenem Hanf. Die waren sehr rutschfreudig. Das waren auch die hochgepriesenen Manchon-(Filz-)sohlen noch. Unübertrefflich erschienen uns dann die Gummiprofil-Sohlen – bis der Reibungskletterschuh auf den Markt kam ... Doch ob mit diesem Kletterschuh oder mit jenem: Klettern war für mich immer ein Stück vom Himmel
.

Eine große Enttäuschung hatten wir an diesem Tag schon verkraften müssen. Der obere Teil der Gran-Sasso-Ostwand wird beherrscht von einem mehr als 200 Meter hohen Felsausbruch, der die Form eines gewaltigen Schmetterlings hat und als ein Naturwunder gilt. Dieser faszinierende Anblick muss auch den Verfasser unseres Kletterführers in einen Poeten verwandelt haben, als er die »Weiße Wand« unserer Route als den herabgefallenen Flügelstaub des Schmetterlings nannte.
    Schmetterlinge haben heute im Sprachgebrauch ihren Aktionsradius erweitert, sie flattern nicht nur von Blume zu Blume, sondern neuerdings auch im Bauch von Frischverliebten. Jedenfalls haben auch wir uns das Klettern im Flügelstaub des Schmetterlings als etwas ganz Besonderes vorgestellt. Daher waren wir bitter enttäuscht, als wir draufkamen, dass damit dieses aus Lehm, Schotter und Reibsand bestehende Konglomerat der »Weißen Wand« gemeint ist.
    Und als dann noch ein kopfgroßes Staubkorn von hoch oben durch die Luft geflogen kam und nur wenige Meter neben uns in Stücke zersprang – da waren unsere wunderlichen Vorstellungen vom Klettern im Flügelstaub des Schmetterlings endgültig verflogen.
    Der Kahlenberggrat
    »Burschen, gestern war ich am Kahlenberg klettern!« – Als ich das in unserer Bergsteigergruppe erzählte, hielten mich alle für einen Schmähtandler (wienerisch: Aufschneider, Lügner). Worauf ich mit den Burschen um ein Flaschl Bier wettete – und die Wette gewann.
    Der Kahlenberg (483 m) ist der Hausberg der Wiener. Die Wiener Höhenstraße führt auf ihn hinauf und viele Wanderwege ...
    Damals hielt ich auch in dem kleinen Verein »Die Wanderfreunde« Vorträge. Und nach einem Dolomiten-Vortrag fragte mich ein älterer Herr, ob ich den Kahlenberggrat auch schon gemacht hätte? Kahlenberggrat? Am Kahlenberg gibt’s doch keine Felsen.
    Es gibt sie. Herr Koutny sagte mir, wo sie sind. Und er erzählte mir auch, wie es zur Entdeckung dieser Felsen kam.
    Die Jahre zwischen beiden Weltkriegen wurden auch die »Arbeitslosenzeit« genannt. Für viele arbeitslose Bergsteiger und Bergwanderer wurde der Wienerwald zum einzigen verbliebenen Ausflugsziel (wobei sich manche nicht einmal eine Straßenbahnfahrt leisten konnten und von ihrem Wohnhaus in der Stadt loszogen).
    Einige wollten aber mehr als nur auf den bekannten markierten Wegen dahinwandern. Sie fanden das Neue, das prickelnde Erleben des bisher Unbekannten abseits der markierten Wege ... »Wild gehen« nannten sie das.
    Solche »Wildgeher« sind den damals noch elenden Nasenweg auf den Leopoldsberg gestiegen, dann aber nicht den bequemen Weg hinüber zum Kahlenberg gegangen, sondern direkt über die Steilflanke des Leopoldsberges in den Waldbachgraben abgestiegen.
    Kein Mensch war vorher auf den Gedanken gekommen, von dort über die grausliche Waldwand zum Kahlenberg aufzusteigen. So wurde aber der Kahlenberggrat entdeckt.
    Dass es ihn gibt, blieb aber – so wie noch andere besondere Plätze – geheim unter den Wildgehern.
    Die Zeit vergeht und alles wird anders. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Beginn der Motorisierung gab’s die Wildgeher nimmer und der Kahlenberggrat geriet in Vergessenheit. Nur Herr Koutny hat ihn nicht vergessen.
    Der Kahlenberggrat! Eine aus einem steilen Waldrücken herausragende, etwa 40 Meter lange und 20 bis 80 Zentimeter hohe Felsrippe. Hauptschwierigkeit bei der Kletterei ist, immer auf dem Fels zu bleiben und nicht versehentlich den Waldboden zu betreten. Alles in allem: eine richtige Gaudi – aber nix für ernste Bergsteiger mit Nordwandgesicht.
    Wir waren begeistert vom Kahlenberggrat, haben viele Leute zu ihm geführt, haben viele Flaschl Bier gewonnen von Leuten, die es nicht glauben wollten, dass man am Kahlenberg auch klettern kann.
    Vor

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