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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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Zwei solche Ausstiegsschluffe kannten wir schon; den vom Paulikamin wollten wir kennenlernen.
    Einen gab es (bevor er durch einen Felssturz zerstört wurde) auf unserer Hohen Wand. Das war der Z-Steig, den der Hohe-Wand-Pfarrer Alois Wildenauer in seinem 1919 erschienenen Hohe-Wand-Kletterführer so beschreibt: »Eine enge Felsschlucht bringt uns zu dem einzigartigen Ausstieg – der sogenannten Schusterlucke – aus welcher wir, als wären wir im Schoße der Erde gewesen, zum Schrecken der etwa Vorübergehenden, senkrecht am Plateauwege emportauchten.«
    Wir schlimmen Buben haben den Schrecken der »etwa Vorübergehenden« noch wirkungsvoller gestaltet! Wir haben auf sie gewartet, und wenn sie von dem Loch ein paar Schritte vorbei waren, haben wir »im Schoß der Erde« ein schreckliches Gruselgeheul losgelassen, von dem sie nicht wussten, woher es kam.
    Den zweiten Ausstiegsschluff fanden wir im Pöschlkamin am Stubwieswipfel (1784 m) im Toten Gebirge. Diesen Kletterberg entdeckten wir bei den Vorarbeiten für mein 1965 erschienenes Buch »Alpenwanderungen in die Vorzeit«. Als wir die »Höll« zu seinen Füßen aufsuchten, sahen wir den markanten Kamin, und bei unserem nächsten Besuch der »Höll« hatten wir auch Seil und Haken mit dabei.
    Höll – so wurde der düstere Urwald schon seit alter Zeit genannt. 1956 zerstörte ein Windbruch den Wald, und bei den Räumungsarbeiten wurden auf den dort liegenden Felsen geheimnisvolle, in den Fels geritzte Zeichen entdeckt – Felsbilder. Solche gibt es auf der ganzen Welt. Die Höll gehört zu den bedeutendsten Felsbilder-Fundplätzen Österreichs.
    Felsbilder sind Symbole, die Bitten/Wünsche an eine höhere Macht darstellen (z. B. Rinderdarstellungen = das Vieh möge gut gedeihen). Doch nicht alle Symbole konnten bisher gedeutet werden. Die ersten Felsbilder der Alpen entstanden in prähistorischer Zeit; aber auch noch im frühen 20. Jahrhundert wurden solche angebracht.
    Für mich ist das faszinierendste Symbol der Höll das Fadenkreuz. Aus Stroh geflochten hingen früher solche Fadenkreuze in den Häusern dieses Alpenlandes und sollten alles Böse, vor allem Hexen vertreiben. Höchst erstaunt sahen wir im Heinrich-Harrer-Museum in Hüttenberg ebenfalls solche Fadenkreuze. In Tibet sollten diese vor den Häusern böse Dämonen vertreiben. Ein Symbol, das in zwei weit voneinander entfernt liegenden Teilen der Welt das Gleiche bewirken sollte und das weder die Alpenbewohner von den Tibetern noch die Tibeter von den Alpenbewohnern übernommen hatten. Die Menschheit ist eine große Familie.
    Wir haben öfter diese Felsbilder aufgesucht. Und natürlich hatten wir dann immer auch das Kletterzeug mit für den Pöschlkamin. Einmal war auch der Jammerpepi mit in dem Kamin. Er war kein schlechter Kletterer, er hatte nur kein Selbstvertrauen. Wenn er vor einer etwas schwierigeren Wandstelle stand, sagte er sofort: »Da komm i nie aufi!« Und wenn’s noch ein bisserl schwieriger wurde: »Geh’n wir lieber zurück!«
    Die letzte Seillänge vom Pöschlkamin ist die eindrucksvollste: Da schließt sich der Kamin zu einem Gewölbe, in dem es nur das Schlupfloch als Ausweg gibt. Und da wollten wir den Jammerpepi ein bisserl schrecken. (Seltsam, dass auch dieses Schlupfloch – so wie auf der Hohen Wand – uns zu schlimmen Buben werden ließ.)
    Wir waren drei Zweierseilschaften, der Jammerpepi war unser Schlussmann. Von seinem Standplatz in einem Kaminwinkel hatte er keinen Ausblick nach oben, hörte aber plötzlich verzweifelte Rufe.
    »Den Überhang derpack i net!«
    »Achtung! Dein Tritt bricht aus!«
    Mauerhakengeklirr ... Hammerschläge ...
    »Der Haken hält net ... I riskier’s trotzdem!«
    Wir lagen quietschvergnügt auf dem Bauch oberhalb vom Ausstieg, klimperten mit den Mauerhaken und waren bemüht, unsere Rufe in die Tiefe verzweifelt klingen zu lassen.
    Echt verzweifelt war unser Jammerpepi auf seinem Standplatz, nannte uns wahnsinnig, nannte uns Hasardeure.
    Unvergesslich bleibt mir, wie er dann nachkam, seinen Kopf durch das Loch brachte, die Sonne über sich sah und seine Augen so groß wurden, als hätten sie ins Paradies geschaut.
    Aber dann gab es für uns eine ganz große Überraschung. Jammerpepi schaute uns alle etwas mitleidig an und sagte: »Der Überhang, an dem ihr euch alle so geplagt habt, der ist eigentlich kein richtiger Überhang. Mir ist er ganz leicht gefallen!« Und dann, sehr selbstbewusst: »Jetzt weiß i erst, wie gut i bin!«
    Als wir an

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