Ein stuermischer Retter
umarmte beide und küsste sie auf die Wangen, danach fiel sie Estrellita um den Hals.
„Leb wohl, meine Schwester der Straße", flüsterte ihr das Zigeunermädchen ins Ohr. „Ich werde dich nie vergessen, Faith."
Faith nickte und umarmte sie noch einmal. Sie brachte kein Wort hervor.
Schließlich nahm sie all ihre Kraft zusammen und näherte sich der einsamen, dunklen Gestalt am Kai.
Als sie seinen Arm berührte, drehte er sich zu ihr um. Er hatte seine Offiziersmiene aufgesetzt, er wirkte ruhig, unnahbar und beherrscht. Aber er atmete schwer, als wäre er gerannt, und sie spürte eine enorme Wärme von ihm ausgehen.
Ihr geliebter Ehemann.
Er leidet genauso sehr wie ich, begriff sie plötzlich, und diese Erkenntnis bestärkte sie mehr in ihrem Entschluss als jedes Argument. „Auf Wiedersehen, mein Geliebter. Ich werde auf dich warten." Wieder hatte sie Tränen in den Augen, aber das spielte keine Rolle, da er sie so fest hielt, dass sie kaum Luft bekam. Er küsste sie innig, dann gleich noch einmal. Schließlich ließ er sie los. Eine Weile starrte er sie ausdruckslos an, bis er sie zu einem weiteren leidenschaftlichen Kuss wieder an sich riss.
„Du warst das Beste, was mir in meinem Leben widerfahren ist", sagte er mit brüchiger Stimme. „Ich werde dich lieben bis zu meinem Tod - und darüber hinaus. Vergiss das niemals."
Sie nickte benommen. „Pass auf dich auf, mein Liebster, pass gut auf dich auf. Wir sehen uns in England wieder."
Er gab ihr einen letzten verzweifelten Kuss, dann drehte er sich um und ging davon. „Kommen Sie, meine Liebe." Morton Black bot ihr seinen Arm. Faith ließ sich von ihm aufs Schiff führen, sie war blind vor Tränen.
Sie stellte sich an die Reling und bekam kaum etwas mit von dem hektischen Treiben beim Ablegen des Schiffs.
Als der Wasserstreifen zwischen Segler und Kai immer breiter wurde, umklammerte
sie die Reling so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Das Schiff wendete schließlich ganz langsam, und Faith lief wie eine Schlafwandlerin an Bord entlang, ohne den Blick auch nur ein einziges Mal von der einsamen Gestalt am Kai abzuwenden.
Plötzlich ging die Sonne über den Bergen auf und blendete sie. Auf einmal konnte Faith Nicholas nicht mehr sehen. Sie versuchte, die Augen mit der Hand abzuschirmen, aber es half nichts, da war nur noch gleißendes Sonnenlicht.
Da ließ sie ihren Tränen endlich freien Lauf, und sie sank bitterlich weinend auf die Holzplanken.
„Dann werde ich ihn jetzt holen", sagte Mac nach einer Weile zu Stevens. Sie hatten schon alles zusammengepackt und waren bereit für den letzten Abschnitt ihrer Reise. Sie hatten Nick allein am Hafen zurückgelassen, damit er seiner Frau ungestört nachsehen konnte. Das Schiff war inzwischen nur noch ein kleiner Fleck in der Ferne, nicht größer als ein Kinderspielzeug.
„Er wird doch nichts dagegen haben, wenn wir einen kleinen Umweg machen und zu Estrellitas Urgroßmutter reiten, oder?"
Stevens zuckte mit den Achseln. „Das kommt darauf an, wo das eigentlich ist. Das Mädchen war in dieser Hinsicht ziemlich verschlossen."
Mac nickte. „Ja, und in ihrem kleinen Sturschädel hält sie hartnäckig daran fest, dass der Capt'n ihrer Urgroßmutter etwas Böses antun will. Aber ich bringe sie schon zur Vernunft. Sie und ich verstehen uns jetzt viel besser", fügte er selbstzufrieden hinzu. Stevens zog die Brauen hoch. „Das will ich auch hoffen, nachdem sie die Nacht in deinem Zimmer verbracht hat."
Mac wurde rot. „Es ist nicht so, wie du glaubst. Abgesehen davon will ich das Frauenzimmer heiraten, also wage nicht, respektlos von ihr zu denken."
Stevens grinste. „Ich gratuliere! Sie wird dir bestimmt eine wundervolle Ehefrau sein."
Macs Miene verdüsterte sich. „Was das betrifft, so hat sie noch nicht Ja gesagt. Wie gesagt, sie ist ein hartnäckiges Ding."
Stevens nickte. „Dann los, geh und hol den Capt'n. Wir sollten gleich weiterreiten. Es tut ihm nicht gut, zu lange seinen düsteren Gedanken nachzuhängen."
Als die beiden zurückkehrten, stieg Nick schweigend auf sein Pferd. So erschöpft und niedergeschlagen hatte Stevens ihn noch nie gesehen.
„Capt'n, du hast doch nichts gegen einen kurzen Umweg zu Estrellitas Großmutter, oder?"
Nick zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Natürlich nicht. Wo wohnt sie?"
„Ich frage sie. Jetzt wird sie es uns sagen müssen. Estrellita?", rief Mac und sah sich suchend um. „Wo steckt das Frauenzimmer?" Er ging noch einmal
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