Ein stuermischer Retter
Wind wehte durch ihre frisch gewaschenen blonden Locken, und sie kitzelten ihn am Kinn. Das war äußerst irritierend. Er hatte schon vielen Soldaten das Schießen beigebracht, aber keiner von ihnen hatte goldene Locken gehabt, die nach Rosen dufteten.
„Ah, ja, ich verstehe." Sie lehnte sich leicht nach hinten an seine Brust.
Nick erstarrte. „Jetzt wappnen Sie sich gegen den Rückstoß und drücken ab. Es wird ohrenbetäubend sein, also erschrecken Sie nicht."
Es gab einen Knall, danach eine kleine Rauchwolke. Der Rückstoß war kaum zu spüren, trotzdem prallte Faith hart gegen Nick und stieß einen leisen Schrei aus. „O, das war wirklich sehr laut, nicht wahr? Aber ungemein aufregend! Können wir das bald noch einmal machen?" Sie drehte sich in seinen Armen zu ihm um, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. In der einen Hand hielt sie die Pistole, die andere legte sie auf seinen Arm. Ein paar Krümel Schießpulver hafteten auf ihrer Wange, und ohne nachzudenken wischte er sie ab. Faith sah ihm lächelnd in die Augen, und plötzlich wurde ihm bewusst, wie nah sie ihm war, viel zu nah. Ihr Mund war nur ein paar Zentimeter von seinem entfernt, und nun befeuchtete sie auch noch ihre Lippen mit der Zungenspitze.
Er trat einen Schritt zurück und versuchte, sie sich als sechzehnjährigen, gerade eingezogenen Soldaten vorzustellen. „Ehe Sie neu laden, müssen Sie die Zündpfanne von allen Rückständen des vorangegangenen Schusses reinigen, mit diesem speziellen Pinsel. Ich werde Ihnen zeigen, wie man sie gründlich säubert, wenn wir hier fertig sind. Aber für den Moment reicht es so", teilte er ihr mit fester Stimme mit.
Sie salutierte schmunzelnd. „Jawohl, Sir!"
Mit finsterer Miene beobachtete er, als sie gehorsam mit dem kleinen Pinsel herumhantierte - beinahe zu gehorsam. „Sie müssen Ihre Pistole wirklich stets reinigen, sonst gibt sie irgendwann keinen Schuss mehr ab", erklärte er. Als sie die Zündpfanne ausgepinselt hatte, fuhr er fort. „So, und nun zeigen Sie mir, wie Sie sie laden."
Sie tat dies genauso, wie er es ihr eben gezeigt hatte, fehlerlos und ohne das geringste Zögern. Dann sah sie ihn ein weiteres Mal mit großen Augen an. „War das richtig so?"
Er nickte. „Sehr gut. Und nun versuchen Sie, ob Sie den Stein dort treffen können." Sie drehte sich um und zielte, aber der Lauf schwankte bedenklich hin und her. Irgendwann konnte Nick es nicht länger mit ansehen, trat hinter sie und legte die Arme erneut um sie, um zu zeigen, wie man richtig zielte. Dieses Mal lehnte sie sich behaglich an seine Brust, ihr Kopf berührte sein Kinn.
„Wird es wieder so laut knallen?", hauchte sie und schmiegte die Wange an seine Brust.
Ein plötzlicher Verdacht stieg in ihm auf. Er ließ die Arme sinken, tat einen Schritt zurück und betrachtete sie mit schmalen Augen. Mit einem unschuldsvoll fragenden Blick drehte sie sich zu ihm um. Viel zu unschuldsvoll für seinen Begriff. „Sie haben schon einmal mit einer Pistole geschossen, nicht wahr, kleine Hexe?"
Sie lachte. „O ja, sogar ziemlich oft. Ich sagte Ihnen doch bereits, meine Mutter besaß eine Pistole, die jetzt von meiner Schwester benutzt wird. Prudence hat uns allen beigebracht, damit zu schießen - und die Waffe hinterher gründlich zu reinigen ebenfalls."
„Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?"
Sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Das habe ich ja versucht - zweimal! Doch Sie haben
mich nicht zu Wort kommen lassen. Und dann hat es Ihnen so viel Spaß gemacht, mir das Schießen beizubringen, dass ich Ihnen die Freude nicht verderben wollte. Ich muss sagen, Sie sind ein wirklich guter Offizier."
Nick verschränkte die Arme und warf ihr einen strengen Blick zu. Er hatte sich von ihr fröhlich an der Nase herumführen lassen, und daran war er selbst schuld, niemand sonst. „Ich vermute mal, dass Sie auch diesen Stein ohne allzu große Mühe treffen können, nicht wahr?"
Sie nickte. „Viel zu einfach. Sehen Sie das Holzstöckchen, das da aus dem Sand ragt?" Sie hob die Pistole, blinzelte gegen den immer stärker wehenden Wind an und schoss. Der Schuss schlug ein kleines Stück links von dem Stöckchen in den Sand ein. Sie runzelte die Stirn.
„Ich vergaß, Sie zu warnen", meinte Nick und unterdrückte ein wenig rühmliches Gefühl der Schadenfreude. „Die Pistole verzieht leicht nach links. Aber genug geübt für heute. Ich glaube, ein Sturm ist im Anzug."
Sie sah besorgt zum sich immer stärker beziehenden Himmel hinauf.
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