Ein stuermischer Retter
verstehe." Und das tat sie wirklich. Wenn Nicholas lange Soldat gewesen war, würde das vielleicht erklären, warum er nicht bereit war, an eine Zukunft zu denken, eine Beziehung zu ihr aufzubauen, auch wenn sie tatsächlich rechtmäßig mit ihm verheiratet war. Es musste ein ziemlich beunruhigender Gedanke sein, dass seine Frau im Fall seines Todes einfach zu seinem besten Freund wechseln würde. Faith verstand, dass das einen Mann dazu bringen konnte, nicht von Liebe sprechen zu wollen.
Behaglichkeit war hingegen eine andere Geschichte. Sie musste daran denken, wie der Morgen verlaufen war, und lächelte. Behaglichkeit war kaum das richtige Wort dafür, Glückseligkeit traf es schon eher. Nicholas Blacklock mochte vielleicht nicht die Liebe seiner Ehefrau wollen, aber gegen ein paar gemeinsame Glücksmomente schien er nichts zu haben.
Stevens bemerkte offenbar nicht, wie tief sie in Gedanken versunken war. „Da war zum Beispiel eine Frau - Polly Micmac nannten wir sie -, die angeblich sechs Männer in einem Jahr überlebte. Manche der Männer glaubten, sie würde Unglück bringen. Aber es mangelte ihr nie an Verehrern, wenn wieder einer ihrer Männer gestorben war. Ein prächtiges Mädchen, diese Polly, hübsch, großherzig und man hörte nie ein Wort der Klage von ihr, ganz gleich, wie schwer sie es auch hatte. Und eine gute Köchin war sie - sie schien immer irgendeinen Hasen oder ein paar Täubchen für den Kochtopf aufzutreiben. Tischte jeden Abend etwas Heißes, Köstliches auf." Stevens schüttelte in Erinnerungen schwelgend den Kopf. „Selbst als eine Hungersnot ausbrach, ließ Polly sich etwas einfallen." Er schwieg eine Weile. „Ich habe nie herausgefunden, was aus ihr geworden ist. Wir haben sie aus den Augen verloren, als der Capt'n in Toulouse verwundet wurde."
„Er wurde verwundet? Wie ist das passiert?"
„Kein Grund, ein so besorgtes Gesicht zu machen, Miss, das war schließlich nicht das erste Mal. Auf Capt'n Nick ist öfter geschossen worden - und er hat es jedes Mal überlebt. Ich weiß nicht, wie viele Schrapnellhülsen man ihm nach der Schlacht bei Waterloo herausgeschnitten hat - und trotzdem umschwärmen ihn die Damen noch." Er tippte wehmütig auf seine Wange. „Ich, ich bin nur ein einziges Mal getroffen worden, und Sie können selbst sehen, wie sehr mich das entstellt hat." „Unsinn!" Faith packte seinen Arm. „Keine wirkliche Dame würde sich daran stören", versicherte sie warm. „Charakterstärke und Freundlichkeit, das ist es, worauf gute Frauen bei einem Mann achten. Über beides verfügen Sie, Stevens, im Überfluss."
Er schmunzelte sie an. „O, vielen Dank, Miss!"
Faith erwiderte sein Schmunzeln. Stevens hatte sie sehr zum Nachdenken angeregt.
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr hatte Nicholas ein Leben geführt, so wie Stevens es ihr eben beschrieben hatte. Kein Wunder, dass er so seltsame Vorstellungen von der Ehe hatte. Oder von festen Bindungen.
Faith hatte bis Bilbao Zeit, ihn eines Besseren zu belehren.
Sie waren den Großteil des Tages geritten und hatten nur kurze Ruhepausen eingelegt, dafür aber die Gangarten der Pferde immer wieder gewechselt, damit sie nicht zu sehr ermüdeten. Die meiste Zeit war das Meer in Sichtweite gewesen, ein Anblick, dessen Faith niemals überdrüssig wurde. Dann jedoch waren sie ein Stück landeinwärts abgebogen und durch die mittelalterliche Stadt Saint-Valery-sur-Somme gekommen. Faith war ganz aufgeregt, den letzten Ort besichtigt zu haben, in dem Wilhelm der Eroberer sein Lager aufgeschlagen hatte, ehe er aufgebrochen war, um England zu erobern. Davon musste sie ihren Schwestern unbedingt in ihrem nächsten Brief berichten.
Sie hatte inzwischen mehrere Briefe nach Hause geschickt, an jede ihrer Schwestern, aber auch an Tante Gussie und Großonkel Oswald. In den ersten Briefen hatte sie ihnen lediglich versichert, dass es ihr gut ging und sie mit einem Mann namens Nicholas Blacklock verheiratet war. Die Katastrophe mit Felix hatte sie so gut wie gar nicht erwähnt - außer Hope gegenüber. Zwillinge hatten keine Geheimnisse voreinander.
Inzwischen waren weitere Briefe gefolgt, in denen sie von ihrer Reise berichtet und erklärt hatte, dass sie auf dem Weg nach Bilbao in Spanien waren. Schließlich sollte sich ihre Familie keine Sorgen machen.
Sie ritten durch vernachlässigt aussehendes Weideland, auf dem nur ein paar Buchen, Birken und Brombeersträucher wuchsen. Vereinzelt entdeckte Faith Beeren, aber sie waren klein,
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