Ein Sturer Hund
leben müssen.«
»Was soll das heißen?«
»Ich will Ihnen nichts vormachen, Cheng. Meine Anweisung lautet, Dr. Callenbach nicht weiter zu belästigen. Der Staatsanwalt hat getobt, als er von meiner Aktion erfuhr. Er hat mir mein ›Gefahr im Verzug‹ um die Ohren geschmissen und erklärt, daß eine Durchsuchung von Callenbachs Büroraum nicht in Frage käme. Er sei nicht bereit, hat er gesagt, den abwegigen Verdächtigungen eines schlecht beleumundeten Detektivs zu folgen.«
»Schlecht beleumundet?«
»Seine Worte. Tut mir leid. Ihre Theorie von einer mordenden Porträtistin scheint für unseren Herrn Staatsanwalt nicht den geringsten Charme zu besitzen. Und wir wollen ehrlich sein, selbst wenn sich beweisen ließe, daß Ihre Fingerabdrücke auf diesem einen Bilderrahmen und keinem anderen kleben, was würde das beweisen? Zumindest hätten wir uns auch weiterhin auf äußerst dünnem Eis bewegt.«
»Das bedeutet wohl, daß Sie darauf verzichten werden, nach dem Päckchen zu sehen, das Callenbach ins Grab eines seiner Patienten hat fallen lassen.«
»Was heißt hier verzichten? Mein Staatsanwalt wird sich ganz einfach dagegen sperren. Callenbach ist ein Heiliger. Ein Meister seines Fachs. Ein Held aufgeklärter Psychiatrie. Der Mann darf unseren Ministerpräsidenten duzen, und das, obwohl er bekanntermaßen im anderen politischen Lager steht. Callenbach könnte überall auf der Welt therapieren und dozieren, aber nein, er hält unserem schönen Land die Treue. Man kann so jemanden nicht einfach seine Grabgabe wieder ausbuddeln. Ohne einen wirklich guten Grund.«
»Vor ein paar Stunden dachten Sie anders.«
»Was ich denke, ist nicht von Bedeutung.«
»Und in welche Richtung wird Ihr Staatsanwalt die Untersuchung treiben?«
»Na, was glauben Sie? Wir suchen weiterhin einen Mörder. Worauf unser Staatsanwalt besteht, ist einzig und allein, daß wir bei der Suche nach diesem Mörder nicht durch das Arbeitszimmer eines hochverdienten Mediziners marschieren und etwa die Makellosigkeit originaler Koloman-Moser-Stühle gefährden.«
»Was sagt eigentlich die Spurensicherung zum Tod Ihrer beiden Kollegen? Derselbe Täter wie in Stuttgart?«
»Unsere Spurensicherung geht Sie nichts an, Cheng.«
»Ich dachte, wir arbeiten zusammen.«
»Da dachten Sie falsch. Sie sind ein Zeuge. Und seien Sie froh, daß Sie kein Verdächtiger sind. Unser Staatsanwalt hätte gut und gern Lust gehabt … aber ich habe ihm klargemacht, daß Lust kein Argument ist. So wenig wie Porträtzeichnungen, die kein Mensch außer Ihnen und Ihrem dubiosen Auftraggeber gesehen hat.«
»Herr Crivelli hat sie gesehen«, sagte Cheng und wollte nach dem Barkeeper rufen.
»Crivelli hat gar nichts gesehen. Glauben Sie mir. Und hätte er, würde es auch nichts nutzen. Darf ich Ihnen einen Rat geben?«
»Sie werden kaum darauf verzichten wollen. Nicht wahr?«
»Geben Sie den Auftrag zurück. Erklären Sie Ihrem Klienten, daß er einem Phantom nachjagt. Schlußendlich wird sich herausstellen, daß nicht eine grandiose Porträtzeichnerin, sondern ein recht unkünstlerischer Freak die Morde begangen hat.«
»Ist das bereits beschlossene Sache?«
»Sie wollen mich nicht verstehen, scheint mir. Ich hätte vielleicht doch Kollege Thiel herschicken sollen.«
»Um mir zu drohen.«
»Natürlich um Ihnen zu drohen. Was denn sonst? Lassen Sie die Finger von der Sache. Auch der eigenen Finger wegen. Sie sehen aus, als hätten Sie in Ihrem Leben schon genug erlebt und erlitten. Man muß es nicht übertreiben. Also. Machen Sie um Dr. Callenbach und seine Klinik einen schönen großen Bogen.«
»Ich nehme an, Ihr Staatsanwalt hat Sie zu meinem persönlichen Kindermädchen ernannt.«
»Völlig richtig. Das heißt: Wenn Sie Mist bauen, dann bin ich dran.«
»Ich werde Sie glücklich machen, indem ich Frieden gebe«, erklärte Cheng und war sich in diesem Moment noch nicht einmal bewußt, daß er log.
»Genau das erwarte ich von Ihnen«, meinte Rosenblüt lächelnd, wünschte noch einen schönen Abend, legte einen Schein auf die Theke und verließ das Lokal. Der Schein reichte bei weitem nicht aus, um die beiden Biere, die 4 cl irischen Malt und Chengs Engel zu bezahlen. Aber das war recht typisch für Rosenblüt: große Geste, kleine Wirkung.
Cheng trank aus, legte einen weiteren Schein auf den noch immer unberührten ersten und verließ ebenfalls die Bar. Ein Gespräch mit Crivelli hätte nichts gebracht. Es war offenkundig, daß Rosenblüt dem
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