Ein Sturer Hund
hervorgezogen, auf die sie behende einen Schalldämpfer aufschraubte. Ein schneller Griff seinerseits ließ Cheng feststellen, daß man ihm in der Zeit seiner kleinen Ohnmacht die Waffe abgenommen hatte. Ohnehin hätte er sie nicht gezückt. Nicht angesichts des Umstands, daß die Frau den Lauf ihrer Pistole nun auf Lauscher richtete.
»Ist das denn nötig?« fragte Cheng, ohne das Zittern in seiner Stimme verbergen zu können.
»Wie anders sollten wir Sie überzeugen?« fragte der Mann. »Wir könnten Ihnen mit allem möglichen drohen, das würde Sie nicht schrecken. Menschen Ihrer Art sind schwer einzuschüchtern. Es ist dieser Ehrenkodex. Was ich gut verstehen kann. Aber wir müssen alle weiterkommen. Und man kommt immer nur weiter, wenn man den Finger auf den wirklich wunden Punkt legt.«
»Wenn Sie den Hund erschießen«, folgerte Cheng, »geht Ihnen aber der wunde Punkt verloren.«
»Wollen Sie uns provozieren?« fragte die Frau. Und es sah ganz so aus, als hätte sie keine Schwierigkeiten, einfach abzudrücken, um zu sehen, was für eine Situation sich daraus ergeben würde.
»Hören Sie auf.« Cheng fuhr in die Höhe. Der Mann ihm gegenüber hatte sich ebenfalls erhoben und den Einarmigen bei den Schultern gepackt. Es war ein fester Griff. Cheng steckte wie in einer Spannvorrichtung. Ein Gefühl des Schwindels und der Taubheit überkam ihn. Dennoch bemerkte er das Mitleid im Gesicht des Mannes. Und erschrak, weil er meinte, die Frau hätte bereits abgedrückt, während der Mann nun versuchte, ihm, Cheng, den Anblick zu ersparen, ihn fernzuhalten.
Cheng wurde zurück in den Sessel gedrückt. Endlich wurde ihm klar, daß die Frau noch immer ihre Waffe auf den Hund gerichtet hielt. Also wohl kaum geschossen haben konnte.
»Er heißt Mortensen, Moritz Mortensen«, preßte Cheng hervor.
»Und wo finden wir ihn?« wollte der Mann wissen.
»Im Telefonbuch«, sagte Cheng und wies auf einen Beistelltisch, auf dem ein solches Telefonbuch lag. »Ich merke mir keine Adressen. Und erst recht keine Zahlen.«
Cheng war fest entschlossen, kein Wort über die Villa am Roseggerweg zu verlieren, in der sich Mortensen hoffentlich noch immer aufhielt.
Der Mann erhob sich, bewegte sich zu dem Tisch hinüber und nahm das Verzeichnis. Nachdem er die Eintragung gefunden hatte, fragte er: »Warum hat Mortensen Sie nach Zweiffelsknot geschickt?«
»Das war meine eigene Idee. Wegen des Aufdrucks auf dem Bierdeckel. Im Grunde war es ein lächerlicher Einfall, dorthin zu fahren. Ich konnte ja nicht ahnen, geradewegs in die Höhle des Callenbachschen Löwen zu geraten.«
Der Mann lächelte milde. Dann fragte er: »Was will Mortensen von Moira?«
»So heißt sie also: Moira.«
»Ja, so heißt sie. Es erstaunt mich, daß Sie das nicht wissen.«
»Ein Name ist nie gefallen. Mortensen hat sie wegen des Mantels, den sie in der Mordnacht trug, als die Sandfarbene bezeichnet. Ich selbst habe von ihr lieber als von der Porträtistin gesprochen.«
»Ja, zeichnen kann sie. Nun, Herr Cheng, weshalb hat Mortensen Sie beauftragt? Wie kommt er überhaupt auf Moira?«
Cheng berichtete, wie Moritz Mortensen, dieser erfolgloseste unter den erfolglosen Schriftstellern, hinter Thomas Marlock hergewesen war, um seinen vielleicht einzigen zukünftigen Leser kennenzulernen. Und wie er auf diese Weise Thomas Marlocks Ende hatte miterleben müssen. Zumindest die Behandlung von Marlocks Schädel im Rahmen einer blutigen Aquaristik.
»Mortensen fühlt sich nun verpflichtet«, erklärte Cheng, »diesen Mann, den die Polizei festgenommen hat, zu entlasten. Aber eben nicht, indem er eine peinliche Zeugenaussage tätigt, die noch dazu prädestiniert wäre, sich selbst in Verdacht zu bringen. Darum hat er mich engagiert. Ich soll den Fall lösen, ohne dabei seine Person ins Spiel zu bringen.«
»Dumm für ihn, daß er jetzt mittendrin steckt«, meinte die Frau. »Wie kann man so etwas nur tun? Sich wie ein Groupie benehmen und dem Leser der eigenen Bücher hinterherrennen. Dieser Mortensen muß wirklich ein erbärmlicher Autor sein.«
Sie hatte ihre Waffe längst wieder verstaut und war neben Lauscher in die Knie gegangen, um ihm mit kammartig gespreizten Fingern den dargebotenen Bauch zu massieren. Lauschers Wohlgefühl offenbarte sich in einem Gegrunze, das ihn erstmals wirklich tierisch erscheinen ließ. Die freundliche Geste der Frau wirkte dabei durchaus echt. Dennoch zweifelte Cheng nicht daran, daß sie bereit gewesen wäre, den Hund zu
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