Ein süßes Abenteuer
sie umworben haben.”
Wie kommt es, hatte Neville grimmig gedacht, dass sich plötzlich alle so sehr für mich und meine Angelegenheiten interessieren? Dennoch hatte er Ihrer Ladyschaft ein höfliches Lächeln geschenkt, bevor er zu seinem Vetter hinüberging. Nach seinem langen, anstrengenden Tag hätte er auf den Besuch im Coal Hole lieber verzichtet. Es handelte sich um eine üble Spelunke, ein überfülltes, verräuchertes, lautes und stinkendes Kellerloch, genau wie er befürchtet hatte. Aber er pflegte seine Versprechen zu halten. Vermutlich gehörte auch das zu seinen langweiligen Eigenschaften.
Vielleicht lag es an seinem nüchternen Zustand, dass dieser Ort ihn dermaßen anwiderte. Wenn er genauso viel trank wie seine Begleiter, würde er vielleicht irgendwann alle anwesenden Frauen hübsch und alle Männer geistreich finden. Vielleicht würde ihm seine Umgebung dann gefällig erscheinen und nicht mehr so abstoßend wie jetzt.
Zumindest könnte es eine interessante Erfahrung werden, einmal einen über den Durst zu trinken. Mit diesem Gedanken leerte Neville ein Glas nach dem anderen, bis der Alkohol ihm allmählich zu Kopf stieg, doch er amüsierte sich deswegen kein bisschen besser.
“Ich gehe jetzt nach Hause”, verkündete er eine Weile später, als ohnehin niemand mehr Notiz von ihm nahm. George lag bereits unter dem Tisch, und bald würden auch Frank Hollis und Bobus Ventress dort landen.
Draußen, in der frischen Nachtluft, wurde sein Kopf wieder ein wenig klarer. Zu Hause angekommen, begab er sich sofort in sein Zimmer. Aber sosehr er sich nach seinem Bett gesehnt hatte, in dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Vor seinem geistigen Auge erschien immer wieder das Antlitz der Duchess of Medbourne.
2. KAPITEL
“G estern Abend hatte ich den Eindruck, dass du ein wenig für Sir Neville Fortescue schwärmst. Falls das stimmt, kann ich dich zu deiner Wahl nur beglückwünschen”, bemerkte Dianas Gesellschafterin und Anstandsdame, Isabella Marchmont, während sie emsig ein Monogramm stickte.
Diana sah von ihrem Buch auf. “Wie kommst du darauf?”
“Weil er solider ist als die liederlichen Verschwender, die dich seit unserer Ankunft in London umwerben. Viele von ihnen besitzen keinen Penny.”
“Du meinst, mein Vermögen lockt sie an, und nicht meine Reize?”
“So könnte man es ausdrücken.”
Nachdenklich legte Diana ihr Buch nieder, eine philosophische Abhandlung. “Nun”, begann sie zögerlich, “ich fand ihn … recht interessant, besser kann ich es nicht beschreiben. Er ist längst nicht so bieder wie sein Ruf. Bei ihm kann ich mir nicht vorstellen, dass er nur mein Geld im Sinn hat, aber wer weiß, vielleicht täusche ich mich.”
“Durchaus möglich, meine Liebe. Du solltest dich in Acht nehmen.”
“Oh, gewiss, das werde ich.”
Bisher hatte sie Isabella verschwiegen, dass sie die Namen aller Bewerber um ihre Hand umgehend ihren Anwälten nannte. Diese ließen dann von einem Angestellten die finanzielle Lage der Betreffenden prüfen. Gleich heute Nachmittag würde sie den Auftrag erteilen, Erkundigungen über Sir Neville Fortescue einzuholen. Nicht dass sie ernsthaft glaubte, hinter seiner ehrbaren Fassade könnte sich ein verarmter Mitgiftjäger verbergen, aber sie wollte kein Risiko eingehen.
Es gab einen guten Grund, weshalb sie in solchen Angelegenheiten so nüchtern, ja vielleicht sogar gefühllos handelte. In ihrer Anfangszeit in London hatte sie einmal durch reinen Zufall entdeckt, dass ihr damaliger Verehrer, dem sie vertraute, sie schamlos täuschte. Nach dieser Erfahrung schwor sie sich, nie wieder auf gut aussehende, charmante Männer hereinzufallen, denn sie hatte ihm wirklich geglaubt, dass er sie um ihrer selbst willen liebte. Seither verließ sie sich auf nichts und niemanden mehr.
Nein, bis ihre Anwälte ihr über Sir Neville Bericht erstatteten, würde sie ihn mit Vorsicht behandeln, auch wenn sie sich noch so sehr zu ihm hingezogen fühlte. Zum ersten Mal seit ihrem Bruch mit jenem falschen Verehrer hatte ihre Schutzmauer einen Riss bekommen, zum ersten Mal sah es danach aus, als könnte sie wieder Gefühle für einen Mann entwickeln. Das war ihr vergangene Nacht, während sie wach lag, klar geworden.
Auch Neville hatte die Begegnung mit Diana gründlich aufgewühlt. Die schöne junge Duchess ging ihm einfach nicht aus dem Sinn. Als er am Morgen nach dem Ball mit seinem Verwalter die Bücher durchging, musste er unentwegt an ihr reizvolles Antlitz
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