Ein sueßes Versprechen
vierzehn Monaten verstorben; das Ordnen seiner Angelegenheiten im Zusammenhang mit seinen beachtlichen Besitzungen hatte Esme bis jetzt in Schottland festgehalten. Nun, hatte sie entschieden, war es Zeit für einen Tapetenwechsel, und sie wollte daher eine längere Auslandsreise unternehmen – bei der sie alle europäischen Hauptstädte besuchen wollte, in denen Richard und sie im Laufe seiner Karriere Station gemacht hatten.
Eine ungewöhnlich lange und sehr wörtlich genommene Reise in die eigene Vergangenheit.
Als Esme erwähnte, sie habe bereits Lorettas Zofe Anweisung gegeben, mit dem Packen für eine viermonatige Reise zu beginnen, hatte Loretta die Flammenschrift an der Wand nicht nur gesehen, sondern auch richtig gedeutet. Sie war aus dem Zimmer gegangen, um mit Rose zu sprechen und sich um ein paar Angelegenheiten zu kümmern, die sie noch dringend erledigen musste, bevor sie London verließ.
Während sie die Tür zur Bibliothek hinter sich schloss, hegte sie nur wenig Zweifel, wer aus der noch andauernden Auseinandersetzung am Ende als Sieger hervorgehen würde.
Weniger als eine halbe Stunde später wurde sie in die Bibliothek gebeten – und hatte Roberts Haus in Esmes Gefolge verlassen.
Als Antwort auf Lorettas Frage zog Esme ihre fein gezeichneten Brauen hoch.
»Wenn du wissen willst, ob ich von dem drohenden Skandal wegen deiner Ablehnung von Eggles’ Antrag gehört habe, dann, ja, natürlich. Therese Osbaldestone hat mir geschrieben. Davon abgesehen war ich aber ohnehin auf dem Weg hierher.«
Loretta runzelte die Stirn.
»Um Robert und Catherine zu besuchen?«
»Nein. Um dich zu entführen.«
»Warum?«
»Weil ich Elsie fest versprochen habe, dich unter meine Fittiche zu nehmen und das zu tun, wofür ihr keine Zeit mehr blieb.«
Elsie war Lorettas verstorbene Großmutter. Esme und Elsie hatten sich nahegestanden.
»Sie hat dich gebeten … sich um mich zu kümmern?«
»Sie hat mich gebeten, sicherzustellen, dass du die junge Dame wirst, die du sein solltest – eine echte Michelmarsh. Dafür zu sorgen, dass du diese alberne Zurückhaltung, die du dir unter Roberts und Catherines Obhut angewöhnt hast, wieder ablegst. So gut sie es auch meinen – und bitte nimm zur Kenntnis, dass ich ihnen das zugutehalte –, sie sind genau die Falschen, um für dich die Verantwortung zu tragen. Leider gab es zu der Zeit, als Chester und deine Schwestern zu jung waren und Robert es so ernst damit war, die Verantwortung zu übernehmen, keine Alternative.« Esme musterte Loretta. »Jetzt hingegen hat sich die Lage geändert, wie ich Robert und Catherine unmissverständlich klargemacht habe. Dieses ganze Theater um Lord Eggles und den Skandal, der tatsächlich droht – denn Lord Eggles und seine Familie finden es in keiner Weise amüsant, dass du daran denkst, ihn abzuweisen, was sie als eine Art Beleidigung auffassen –, ist genau das, was dabei herauskommen muss, wenn man eine lebhafte junge Frau aus unserer Familie einem Regiment aus Zurückhaltung und Anstand unterwirft, das ihr restlos fremd sein muss.«
Loretta betrachtete Esme mit innerer Sorge und wachsendem Widerstreben.
»Ich finde ein gewisses Maß an Anstand und Zurückhaltung oft genug überaus nützlich.«
»Hast du dadurch den Ehemann gefunden, den du dir insgeheim wünschst?«
»Nein.«
»Damit ist dann wohl alles zu dem Thema gesagt. Du begleitest mich jetzt bitte auf meiner Reise und lernst, eine echte Michelmarsh zu sein. Und dann …« Esmes Worte verklangen, und ein kämpferisches Funkeln trat in ihre Augen. »Und dann werden wir sehen.«
Loretta war sich nicht ganz sicher, ob ihr dieses Funkeln in Esmes Augen gefiel.
»Du hast das hier noch nie zuvor getan, oder? Als Anstandsdame für eine junge Dame fungiert?«
Esme, deren Blick weiter nachdenklich auf Loretta ruhte, schüttelte den Kopf.
»Nein. Keine Kinder und damit auch keine Enkelkinder. Ich muss zugeben, bislang hatte ich nie irgendeinen Reiz daran bemerkt, aber ich glaube, Therese Osbaldestone könnte recht haben – das hier wird vermutlich wirklich ganz ähnlich sein, wie als Frau eines Diplomaten den Boden zu ebnen.« Plötzlich lächelte Esme und schaute Loretta in die Augen. »Ich glaube wirklich, dass ich es genießen werde, dir zu helfen, das zu werden, was du sein solltest, um dich dann dem richtigen Mann unter die Nase zu halten.«
Loretta runzelte die Stirn.
Unbeeindruckt davon schnippte Esme gegen Lorettas Röcke.
»Und wo wir gerade davon sprechen,
Weitere Kostenlose Bücher