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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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traust du dich irgendwann nicht mehr …«
    »Dann traut man sich nicht mehr, andere an sich ranzulassen«, beendet Seth den Satz an meiner Stelle.
    Ich nicke. »Jedes Mal, wenn ich mich dabei ertappt habe, dass ich mich gefreut habe, einen Mitschüler am nächsten Tag und am übernächsten in der Schule wiederzusehen, hab ich irgendwas angestellt. Mit zehn wusste ich ganz genau, was man machen muss, um rausgeschmissen zu werden. Irgendwann wusste mein Vormund schon, was los war, wenn das Internat angerufen hat. Aber er hat seinen Ärger nie an mir ausgelassen.« Ich schaue Mira an. »Vielleicht hatte ich bei ihm ja auch etwas gut. Wahrscheinlich hat er mir so viel durchgehen lassen, weil ich Schreckliches erlebt hatte. Er hat sich einfach damit abgefunden, dass ich … dass ich schwierige Phasen hatte.«
    »Du hast gesagt, dass du geglaubt hast, du wärst an allem schuld. Wie bist du darauf gekommen?«, hakt Seth nach.
    Hat er vorhin auf dem Friedhof nichts kapiert? Weil ich ihnen nicht auf Wiedersehen sagen wollte! Seit jenem Tag habe ich immer wieder darüber nachgedacht – zwei kleine Worte, und alles wäre ganz anders gewesen. »Ich wollte mich nicht von ihnen verabschieden«, sage ich, »und es kam mir vor, als ob das der Anfang des ganzen Unglücks war, als ob danach alles schiefgehen
musste

    »Das ist doch krank!«, schnaubt Aidan, aber er nimmt es sofort zurück: »Ich meine, das ist doch Unsinn.«
    »Klar ist das irgendwie krank. Aber manche Ereignisse lassen sich mit dem gesunden Menschenverstand nicht begreifen. Und dann denkt man sich eben etwas Verrücktes aus, um damit fertig zu werden.«
    Aidan nickt.
    »Warum wollten deine Eltern eigentlich ohne dich verreisen?«, mischt sich Mira wieder ein.
    »Es war keine Urlaubsreise. Mein Bruder Gavin kam mit einem Loch in der Herzscheidewand zur Welt. Er war schwer krank, was ich aber damals nicht richtig begriffen habe. Meine Eltern haben zwar versucht, es mir zu erklären, aber ich fand, er sah total gesund aus. Ich sehe noch seine niedlichen Händchen vor mir – da war alles dran. Aber wenn er schrie, blieb ihm immer die Luft weg, darum tat meine Mutter alles, um ihn bei Laune zu halten. Der Arzt, den sie aufsuchen wollten, war auf Monate hinaus ausgebucht, weil er ein Spezialist auf dem Gebiet war.«
    »Und er hatte nur an deinem Geburtstag einen Termin frei.« Mira hat den Kopf in die Hände gestützt und macht ein so erstauntes Gesicht, als hätte sie das Ganze erst jetzt richtig begriffen.
    »Ja. An meinem Geburtstag und dem von meiner Mutter. Und von da an ging auf einmal alles schief. Es war in jeder Hinsicht der falscheste Tag, den man sich denken konnte.« Ich schildere den dreien, wie der Termin verlegt wurde, wie daraufhin der Flug umgebucht wurde und dass meine Eltern eigentlich gar nicht mit diesem Flugzeug hatten fliegen wollen. Dass mein Vater selber fliegen wollte, aber dass Gavins Termin wichtiger war und auch wichtiger als irgendwelche Geburtstage. Es ging Schlag auf Schlag. Einiges hat mir mein Vormund im Lauf der Jahre berichtet, zum Teil weiß ich es, weil ich dabei war, manches haben mir auch Therapeuten oder Beratungslehrer erzählt und auf diese Weise unfreiwillig dazu beigetragen, dass ich mir eine verquere Logik zurechtgelegt habe. Eine Logik, die mit dem bedeutsamen Zusammentreffen von Zahlen, Daten und Ereignissen zu tun hatte, mit dem Timing. Und das schlimmste Zusammentreffen spielte sich vor meinen Augen ab.
    »Bei einem anderen, gerade landenden Flugzeug fiel ein Triebwerk aus.« Ich berichtige mich: »Nein, das Triebwerk fiel nicht nur aus, es explodierte richtig, und weil das Flugzeug schon fast aufgesetzt hatte, konnte der Pilot nicht mehr beidrehen. Er krachte in das Flugzeug mit meinen Eltern. Meine Babysitterin Esme hat mich sofort vom Fenster weggezogen, aber ich hatte schon alles gesehen. Wie wahrscheinlich ist so etwas? Meine Mutter starb am gleichen Tag, an dem sie das Licht der Welt erblickt hatte, und auch sonst ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Man kann es vielleicht mit dem Gesetz der großen Zahl erklären, aber wenn einem selber so etwas passiert, ist die statistische Wahrscheinlichkeit irgendwie kein Trost.«
    »Und jetzt wird euer Haus auch noch am gleichen Tag verkauft«, sagt Seth mitfühlend.
    »Das ist ausnahmsweise kein Zufall. Das habe ich selbst veranlasst. Mein Vormund will das Haus schon lange verkaufen, aber ich war immer dagegen. Klar haben alle gedacht, er spinnt, ein Kind um

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