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Ein Tag und zwei Leben (Episode 2)

Ein Tag und zwei Leben (Episode 2)

Titel: Ein Tag und zwei Leben (Episode 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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geht. Sie geht, weil mir keine Worte einfallen, die sie davon abhalten könnten. Dafür müsste ich ehrlich sein. Zu mir selbst und zu Lea. Wenn ich der Teil von ihr bin … und dann spüre ich meine Beine doch und renne los, über den Flur und zur Tür, aber bevor ich sie erreiche, stolpere ich über meine Turnschuhe. Ein Weihnachtsmann kullert über den Boden, gefolgt von zwei kleinen Mandarinen, drei Nüssen und einem Netz mit Schoko-Talern. Lea. Verdammt! Wie sie immer wieder einen Weg findet, mein Inneres, das ich in einer kleinen, harten Nussschale verstecke, aufzuknacken.
    Lea …
     
     
     
    Der siebte Stock. Ich sehe den Balkon von hier unten und weiß genau, welchen Ausblick man von da oben hat. Oft genug habe ich mir die Lichter meiner Stadt angeschaut und mich gefragt, wie es hinter den Fenstern der anderen Wohnungen wohl zugehen mag? Ob der Vater oft da ist, ob die Mutter gerne singt und gerne mal einen Schluck über den Durst trinkt? Weggewünscht habe ich mich dennoch nie, weil meine Mutter dann alleine wäre. Mein Vater, der noch zu sehr an seiner alten Heimat England hängt, ist immer wieder dort. Angeblich wegen der vielen Arbeit, der Familie und dem Heimweh. Oder, wenn man eher auf die Wahrheit steht, weil er dort ein bis drei Frauen hat, die er gerne besucht. Eine Familie zu haben war nie so recht sein Plan. Zu dumm, dass er einen deutschen Sohn hat. Wobei – vielleicht hat er ja auch den ein oder anderen Sohn auf der Insel? Egal. Spielt jetzt auch keine Rolle mehr.
    Im Fahrstuhl erkenne ich die meisten Schmierereien an den Wänden wieder. Einige sind von mir. Früher, als man noch den Frust über das blöde Leben an der wehrlosen Fahrstuhlwand rauslassen konnte. Ich glaube, von mir stammt « Life sucks » oder aber « Nazis raus! » – vermutlich beides. Im siebten Stock trete ich auf den kühlen Flur und stelle erneut fest, dass diesem Hochhaus, das in einem der Randgebiete von Stuttgart liegt, so ziemlich jede Wärme fehlt, die man sich vorstellen kann. Es gibt Treppenhäuser und Treppenhäuser. Dieses hier fällt in die Kategorie: «Nur nicht zu lange hier bleiben!» Deswegen steuere ich direkt auf die Tür neben dem Klingelschild Heath zu. Ich habe einen Schlüssel, für Notfälle. Aber ich will nicht unangemeldet erscheinen. Als ich noch nicht lange ausgezogen war, habe ich oft einfach so mal vorbeigeschaut. Weil ich wusste, dass sie sich freut. Oder weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe.
    Jetzt drücke ich die Klingel und warte. Wenn ich herkomme, habe ich immer ein komisches Bauchgefühl. So als ob man zu viele Tacos gegessen hat und das mit zu viel scharfer Soße. Was, wenn sie die Tür nicht öffnet? Klar, sie könnte unterwegs sein. Einkaufen oder so. Oder sie liegt wieder … Schritte hinter der Tür, bestimmt wirft sie einen Blick durch den Spion. Nur für diesen Fall setze ich zu einem breiten Lächeln an, das meine Sorgen und Bedenken verschleiern soll. Dann öffnet sich die Tür.
    Meine Mutter war eine hübsche Frau. Bevor es mich gab. Als sie meinen Vater kennengelernt hat. Vermutlich haben sich damals viele Männer in sie verliebt. Jetzt ist das nicht mehr so. Sie sieht älter aus, als es ihr tatsächliches Alter vermuten ließe, ihr Lebenswandel hat deutlich Spuren hinterlassen. Nur ihre Augen, die sind noch immer so wie früher.
    «Damian?»
    Es klingt so, als wäre sie unsicher, ob sie nicht vielleicht träumt. Oder habe ich mich so sehr verändert? Meine Haare sind ziemlich kurz, aber sonst bin ich noch immer ihr Sohn.
    «Hallo Mama.»
    Sofort lächelt sie und mustert mich von oben bis unten.
    «Gut siehst du aus!»
    Wie gerne würde ich das über sie sagen. Aber das wäre eine Lüge. Noch eine. Denn ich muss schon lügen, wenn ich sage, dass ich gerne hier bin.
    «Willst du vielleicht reinkommen?»
    Ich will das nicht. Aber ich muss! Und ich werde … Ich nicke, sie tritt einen Schritt zur Seite und ich kehre dahin zurück, wo so vieles so schief gegangen ist. Während ich neben ihr stehe und meine Jacke ausziehe, versuche ich zu erschnüffeln, ob es nach Alkohol riecht. So genau kann ich das nicht sagen, denn in dieser Wohnung riecht es für mich immer nach Alkohol.
    «Ich freue mich sehr, dass du mich besuchen kommst.»
    Ihre Freude ist echt – und ja, ich war viel zu lange nicht mehr hier. Fotos von mir als kleiner Junge hängen an der Wand im Flur und ich stelle fest, dass ich auf allen Fotos lächle. Niemand würde erahnen, wie unglücklich ich als Kind war. Nein,

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