Ein Tag und zwei Leben (Episode 3)
schenkt mir einen dieser Blicke, den Männer scheinbar von klein auf beherrschen. Der Blick, der Frauen zu verstehen gibt, dass heiß das Wort ist, das sie meinen, wenn sie toll sagen.
»Dankeschön.«
Ein Glück hat er keine Ahnung, wer mir die Kette geschenkt hat, die um meinem Hals baumelt. Es ist ein Geburtstagsgeschenk – von Damian. Getragen habe ich sie nur sehr selten, weil sie so … so … so wunderbar ist. Weil ich jedes Mal Angst habe, sie zu verlieren, zu verlegen, oder dass sie mir gestohlen wird. Es ist total idiotisch, aber in der Schatulle bewahre ich sie auch noch in der Schublade von meiner Kommode auf. Dort, wo ich sonst nur Socken und Unterwäsche lagere. Alle paar Wochen werfe ich einen Blick in die Schatulle, um das Schmuckstück zu bewundern, und um sicher zu gehen, dass es noch da ist. Heute Abend trage ich es. Weil es Zeit wurde und so perfekt zu dem Kleid passt. Das alles hat nichts mit Damian zu tun – rede ich mir verzweifelt ein.
Es klingelt wieder an der Tür und mein Herz legt einen Sprint hin, bei dem ich es kaum einholen kann.
»Soll ich?«
Tobi ist schon fast im Wohnzimmer, als ich mich an ihm vorbei ins Innere drücke.
»Nein, nimm du mir die Hexen aus dem Osten ab. Ich gehe zur Tür.«
Weil ich einen kurzen Moment mit ihm alleine haben muss. Weil ich, falls es Damian ist, nur einen Blickwechsel brauche, um zu wissen, dass es ihm gut geht. Und dass zwischen uns alles wieder in Ordnung ist. Weil nur dann das neue Jahr auch ein gutes Jahr werden kann. Ich erspare mir die Gegensprechanlage und drücke auf den Türöffner, während mein ganzer Körper Samba tanzt. Schritte auf den Treppen … Ich halte die Luft an, hoffe, bange und –
Er trägt wie immer seine typischen, engen Jeans, eine schwarze Carhartt-Jacke und eine Strickmütze, die seine freche Frisur noch einen Moment in Schach hält. Seine Augen, so blau wie Bergseen, schauen durch die Gitter des Treppengeländers zu mir nach oben. Ein Lächeln glänzt auf seinem Gesicht. Meine Knie wollen weich werden, was ich ihnen verbiete, und auch meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Zeitlupe im echten Leben, das wäre genau das, was ich jetzt bräuchte, während Damian die Stufen zu mir nach oben kommt.
»Hi, Lea.«
»Hi, Damian.«
Unsicher bleibt er vor mir stehen und mustert mein Outfit, das Tobi vor wenigen Sekunden noch in der Küche gelobt hat.
»Die Kette kenne ich doch.«
Er streckt seine Hand aus und greift nach dem großen, schwarzen Anhänger, der in einem silbernen Kreis gefasst ist. Ich war mir nicht mal sicher, ob er sich noch daran erinnert. Es ist das erste Geschenk, das Damian mir jemals gemacht hat.
»Ich dachte, ich trage sie mal spazieren.«
Er sieht mir nicht in die Augen, aber er lächelt und nickt etwas abwesend. Vermutlich erinnert er sich an meinen Geburtstag damals, an die Party und sein Geschenk. Den Kuss, der nur durch Zufall auf seinen Lippen und nicht auf seiner Wange gelandet ist. Damals, als wir mehr wurden als nur Freunde, als wir plötzlich so was wie ein Anker für den anderen wurden. Irgendwie wusste ich damals ganz genau, Damian und ich, wir werden noch eine Menge zusammen erleben. Ich würde mich jederzeit auf ihn verlassen können – und er sich auf mich. Niemand würde unsere Freundschaft beenden können. Nicht mal wir selbst … Weil es sich angefühlt hat, als ob Damian genau der Teil war, der in meinem Leben gefehlt hat. Wir sind nicht einfach nur gute Freunde. Das wird mir einmal mehr schlagartig bewusst. Er berührt nicht mich, nur meine Kette, aber es fühlt sich an, als ob er mich in einer festen Umarmung hält.
»Hier im Westen kriegt man ums Verrecken keinen scheiß Parkplatz!«
Fast hatte ich vergessen, dass Damian nicht alleine kommt. Simones High Heels kündigen ihr Auftreten ebenso an, wie ihre genervte Stimme, als sie die Treppen zu uns nach oben kommt. Damian tritt einen kleinen Schritt zurück, lässt meine Kette los und ist wieder nur ein guter Freund.
»Hi, Lea. Nettes Kleid.«
Simone sieht mich so gelangweilt an, dass ich befürchten muss, sie kippt gleich in ein Koma, während ihr Blick mein Kleid mustert. Es gefällt ihr nicht. Ist es nicht kurz genug? Nicht ausgeschnitten genug? Zu alltäglich?
»Danke. Kommt doch rein.«
Immer wieder erstaunlich, wie der Kopf ganz offenbar auch getrennt vom Rest des Körpers funktionieren kann. In meinem Kopf erwürge ich Simone gerade, aber mein Gesicht zeigt mich lächelnd und ich mache ihr und Damian
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