Ein Tag, zwei Leben
gestichelt, dass Davis so niemals die Finger von mir lassen könnte. Ich hatte nur gelacht und es genossen. Ich hatte mir noch nie zuvor einen neuen Look verpassen lassen, und es wäre gelogen, wenn ich nicht zugeben würde, dass es mir gefiel.
Während Maddie meinen Gips bemalte, strich sie mir immer wieder übers Haar und sagte mir, dass ich so wunder-wunderschön sei; dadurch wurde es einfacher, weiterhin Normalität zu heucheln. Es half mir, nicht darüber nachzudenken, was für ein Riesenproblem auf mich zukommen würde, wenn ich um Mitternacht nach Wellesley wechselte – zurück in Dex’ Arme – und plötzlich kurzes, fransiges Haar hätte.
Als Maddie damit fertig war, eine ganze Hasenfamilie zu malen, machte ich mich daran, das Abendessen zuzubereiten, weil ich davon ausging, dass Mom bis spät am Abend arbeiten würde. Was Dad anging, so hatte er einen einzigen Blick auf meine Haare geworfen, als ich zur Tür hereingekommen war, hatte dann seine Schlüssel genommen und gesagt, es würde später werden.
Das war keine Überraschung. Ich hatte gewusst, dass es ihm nicht gefallen würde. Das hieß natürlich nicht, dass ein Teil von mir es nicht doch gehofft hatte – und jetzt gekränkt war. Aber ich hatte schon befürchtet, er würde mir einen von diesen » Wir arbeiten hier nicht so hart, damit du herumläufst wie ein Gammler«-Vorträge halten – Schweigen war da immerhin noch besser. Und die Tage, da er mich zurück zur Friseurin schleppen und verlangen konnte, dass sie das wieder in Ordnung brachte, waren vorbei. Wahrscheinlich würde er einfach betrunken nach Hause kommen und pennen. Er war nicht oft betrunken – nur wenn ihn eine von uns enttäuschte und nicht » ihr Bestes gab«. Scheinheilig, was?
Nach unserem Abendessen aus Makkaroni und Käse kam Dad wie aufs Stichwort hereingestolpert, ging geradewegs ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich, wobei er einen Hauch von Bourbon zurückließ. Ich lenkte Maddie ab, bis sich der Lärm gelegt hatte. Bei allen Fehlern, die meine Eltern hatten, sie ließen nie etwas an Maddie aus. Sie war unser aller Sonnenschein.
Als Mom nach Hause kam, hatte ich bereits Alice im Wunderland von vorne bis hinten vorgelesen, und zwar zweimal, und Maddie dazu überredet, in ihr Bett zu gehen und zu schlafen. Mom blickte meine Frisur an und seufzte.
» Na ja, das ist eindeutig mal was anderes.«
Der Art und Weise nach, wie sie das sagte, gefiel es ihr nicht. Sie seufzte wieder und blickte zur geschlossenen Schlafzimmertür.
» Dein Vater hat es wohl schon gesehen?«
Ich nickte und blickte auf meine Füße. » Er wird wahrscheinlich die ganze Nacht durchschlafen.«
Endlich setzte Moms Einfühlungsvermögen wieder ein und ihr Blick wurde weicher. » Es ist eine so große Veränderung, Sabine. Ich muss mich erst daran gewöhnen.« Sie lächelte schwach. » Aber der Schnitt gefällt mir schon jetzt immer besser.« Übersetzung: Die Farbe aber nicht.
» Schon gut. Es muss nicht jedem gefallen, nur mir, oder?« Ich wartete ihre Antwort nicht ab. » Im Kühlschrank sind noch Reste, falls du möchtest?«
Mom schüttelte den Kopf, sie war eindeutig erschöpft. » Nein danke. Ich gehe sofort schlafen.«
Das war die Antwort, auf die ich gehofft hatte. » Ich auch.«
Sobald Mom im Schlafzimmer verschwunden war, ging ich ins Bad und machte die Tür zu. Ich nahm mir Zeit, um alles vorzubereiten, weil es genau richtig sein musste. Vielleicht trödelte ich auch ein wenig. Ich konnte mich nicht entscheiden, welche Klinge ich verwenden sollte, deshalb nahm ich eine Schere und einen Rasierer und wickelte sie mit allem anderen in ein Handtuch. Ich ging mehrmals hin und her, aber als ich schließlich wieder in meinem Zimmer war, klemmte ich ein Schulbuch unter die Tür. Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war, dass Maddie hereinplatzte.
Ich legte die meisten Gegenstände auf mein Bett, dann nahm ich die Rolle Toilettenpapier und stellte sie zusammen mit einer Schüssel warmen Wassers auf meinen Nachttisch. Ein paarmal hielt ich inne, um mich ans Atmen zu erinnern, doch als ich alles vorbereitet hatte und auf dem Handtuch saß, gab es keinen Grund mehr, länger zu warten.
Zuerst führte ich die Flamme eines Feuerzeugs über die Klingen.
Mein Projekt kam nur mühsam in die Gänge. Das mit der Schere war keine gute Idee. Ich hatte nicht richtig eingeschätzt, wie schwer das sein würde. Mich dazu zu zwingen, den Schnitt zu machen, war schon schlimm genug – dazu
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