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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Schnitt zu erhalten.
    » Shit«, sagte ich immer wieder, während ich alles säuberte. Dazu benutzte ich das warme Wasser und das Toilettenpapier. Ich übte Druck aus, bis die Blutung schwächer wurde, dann trug ich die antiseptische Salbe auf, die ich aus dem Drogeriemarkt stibitzt hatte, und klebte ein paar große Pflaster darauf. Danach ging ich in meinem Zimmer auf und ab, das heißt vier kleine Schritte in jede Richtung. Das war nicht gerade Sport, aber es gab mir Zeit zum Nachdenken.
    » Shit.«
    Ich setzte mich auf das Handtuch, zog mir das T-Shirt aus und nahm das Messer wieder. Es war nicht die Zeit für halbe Sachen.
    » Einer noch«, flüsterte ich und nickte aufmunternd, während ich die Klinge hinten an meinem Oberarm ansetzte. Ich versuchte, mir das Messer in einer raschen Bewegung quer über den Arm zu ziehen, aber in der Mitte bekam ich es plötzlich mit der Angst zu tun, verringerte den Druck und kratzte kaum an der Oberfläche.
    » Shit.« Ich schüttelte meine zitternde Hand aus, bevor ich das Messer für einen weiteren Versuch positionierte. Als die Klinge an der richtigen Stelle lag, schloss ich die Augen, holte tief Luft und zog sie über meinen Arm, nein, keinen dritten Versuch mehr.
    Den brauchte ich auch nicht.
    Es dauerte eine Weile, bis es weniger blutete. Eine halbe Stunde nachdem ich den Arm verbunden hatte, drang das Blut durch den Verband und ich musste noch einmal ganz von vorne anfangen und einen neuen anlegen. Ich hatte den Verdacht, dass die Wunde eigentlich genäht werden müsste, aber das würde ganz bestimmt nicht passieren.
    Schließlich hörte sie auf zu bluten und ich räumte alles weg, versteckte es unten in meinem Schrank. Ich ging ins Bett und zählte die Minuten.
    Keine Chance, die Panik zu überwinden. Zweimal musste ich nach unten ins Bad rennen, um mich zu übergeben. Zum Teil lag das daran, dass ich wusste, was ich gerade mit mir gemacht hatte, zum Teil war es dieselbe Übelkeit, die ich immer verspürte, wenn es auf Mitternacht zuging – und zu einem ganz großen Teil lag es daran, dass ich keine Sekunde lang vergessen konnte, was mich in dem Moment erwartete, in dem sich der Wechsel vollzog.
    Aber es gab noch eine Sache, die zu tun war.
    Zwanzig Minuten vor Mitternacht schluckte ich fünf Tabletten Abführmittel.

7 – Wellesley, Samstag
    Die Reflexe übernahmen, bevor ich es verhindern konnte.
    Ich wusste, was – wer – gerade versuchte, mich zu ersticken. Ich hatte auf den Wechsel gewartet und versucht, mich darauf vorzubereiten, aber in der Sekunde, in der ich in mein anderes Selbst schlüpfte, zurück in mein grünes Kleid, zurück in den Keller und in Dex’ Arme, sein warmes Gesicht und seine nassen Lippen, die er mir aufs Gesicht klatschte, rastete ich aus.
    Manchmal kann einen die eigene Stärke echt überraschen. Und meine überraschte Dex ganz gewaltig, als ich ihn – irgendwo zwischen Sekunde sieben und Sekunde acht seines Kusses – quer durch den stockfinsteren Keller schleuderte. Er landete auf etwas, das mit ihm zu Boden stürzte und dabei ein lautes Scheppern von sich gab.
    Ich hörte nicht einmal richtig seine Reaktion, weil ich so damit beschäftigt war zu versuchen zu atmen und einen erneuten Anfall von Übelkeit zu unterdrücken.
    Er sagte irgendetwas wie » Was« und » zur Hölle«.
    Genauso fühlte auch ich mich.
    Unter Geschepper rappelte er sich auf. Ich klappte den Mund auf, um mich langatmig zu entschuldigen, und hoffte, mich dabei nicht übergeben zu müssen, aber da flog oben an der Treppe die Tür auf.
    » Wer immer da unten ist, komm sofort nach oben!«
    Es war Lucas. Der mir ein wenig zu spät zu Hilfe eilte.
    » Luc, ich bin es«, sagte ich und stützte mich mit den Händen auf den Knien ab.
    Sein Tonfall wechselte von wütend zu zögerlich. » Alles okay? Wer ist bei dir da unten?«
    Oh, fabelhaft. Inquisition.
    Ich schluckte und bemühte mich weiterhin, mich zusammenzureißen und aufzuhören zu zittern. Dass mich die Wirkung des Alkohols jetzt wie ein Güterzug traf, machte es nicht gerade leichter. Die Lampen im Treppenhaus tauchten den Raum in dämmriges Licht. Dex bewegte sich auf mich zu, die Hände vorsichtig ausgestreckt.
    » Nur ich und Dex«, rief ich zurück. » Luc, kannst du an der Tür bleiben? Wir kommen gleich nach oben.«
    Als Antwort grunzte er nur.
    Dex blieb vor mir stehen, während ich nach Worten rang. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das wieder in Ordnung bringen konnte. » Es tut mir so leid, Dex. Ich …

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