Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
Vom Netzwerk:
die Fesseln an meinen Handgelenken lockerten. Ich würde frei von ihnen sein, wenn ich um Mitternacht den Wechsel vollzog.
    Ethan hatte dafür gesorgt, dass ich das wusste.

11 – Wellesley, Sonntag
    Ich rekelte mich wie eine Katze, unter meinen Händen Seidenbettwäsche. Das morgendliche Gezwitscher der Vögel war in vollem Gange, vermutlich bauten sie in dem Baum vor meinem Fenster ein Nest.
    Während ich langsam zu mir kam, legte sich die Erinnerung an die vergangenen vierundzwanzig Stunden wie eine schwere Decke auf mich. Meine Eltern. Wie ich fortgeschleppt wurde. Die Klinik. Ethan.
    Ethan. Der mich unter Medikamente setzte, mich betäubte.
    Ethan, der die Fesseln löste, den Kopf über mich schüttelte, meine Wunden versorgte, und dann diese kleine Geste: Wie er mir das Haar aus dem Gesicht strich.
    Ich war eingesperrt worden. Mit Medikamenten behandelt.
    Ich war in der SP !
    Kerzengerade setzte ich mich im Bett auf. Alles war total beschissen gelaufen. Meine Hände krallten sich in die Seidenbettwäsche. Die Vögel zwitscherten weiter. Ich hatte den Wechsel glatt verschlafen und über diese Atempause war ich sehr froh. Von unten rief Mom. Sie war gerade am Gehen, hatte aber Waffeln für mich in der Küche hinterlassen. Ein sonntägliches Ritual.
    Ich schaute mich in meinem Wellesley-Zimmer um, das aussah wie immer.
    Alles war schiefgegangen.
    » Aber hier nicht«, flüsterte ich vor mich hin. » Alles ist immer noch in Ordnung – hier.«
    Nachdem ich eine Weile vor mich hin gestarrt hatte, setzte Routine ein. Ich stand auf, duschte und zog mich an.
    Gedankenverloren knabberte ich unten an den kalten Waffeln, so gedankenverloren, dass ich fast vom Küchenhocker fiel, als es plötzlich an der Tür klingelte.
    Ich öffnete die Haustür nur einen kleinen Spalt und spähte hindurch – und sah Dex erwartungsvoll lächelnd vor der Tür stehen.
    » Alles okay? Du siehst aus, als hättest du erwartet, dass jemand aus dem Gebüsch springt und über dich herfällt«, witzelte er.
    Ihm war nicht klar, wie recht er damit hatte. Bei allem, was mir in meinem anderen Leben widerfahren war, war das genau das, was ein Teil von mir erwartet hatte. Ich versuchte, eine entspanntere Haltung einzunehmen, und stieß die Tür mit Schwung auf.
    Er machte große Augen. » Wow! Ich meine, wow. Dein Haar! Du siehst …« Er suchte nach Worten, etwas, was Dex, dem von allen geliebte Sport-Gott, nur selten passierte. » Toll aus.«
    Meine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, während ich mir über das neue Blondhaar strich. » Danke.«
    » Nein, ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich meine, du siehst …« Und dann wanderte sein Blick über meinen Körper nach unten und dann wieder nach oben, und ich wusste genau, was er dabei dachte.
    » Du hast dich mehr als deutlich ausgedrückt, Dex«, sagte ich.
    Verlegen blickte er mir wieder in die Augen. » Ich kann wirklich nicht bis zum Abschlussabend warten. Du und ich, wir passen so gut zusammen.« Hungrig zog er mich in seine Arme. » Alle beneiden uns für das, was wir haben.«
    Irgendetwas an dem, was er sagte, berührte bei mir einen empfindlichen Nerv und ich fühlte mich in seinen Armen unbehaglich. Aber ich war mir nicht sicher, warum. In vielerlei Hinsicht stimmte es – Dex und ich waren ein perfektes Paar. Nach Meinung unserer Freunde waren wir füreinander bestimmt. Sogar Dex’ Kontrollfreak-Eltern haben mir ihr Okay gegeben. Im Grunde passten wir großartig zueinander, aber die Tatsache, dass es so wichtig für Dex war, dass alle das wussten, irritierte mich.
    Aber ich wollte in dieser Welt momentan nichts durcheinanderbringen, deshalb küsste ich ihn auf die Lippen, bevor ich mich beiläufig aus seinem Griff löste.
    » Ich kann den Abschluss auch kaum erwarten«, sagte ich mit einem kleinen Lächeln.
    Wieder schloss er den Abstand zwischen uns. » Weißt du, das brauchen wir eigentlich auch nicht. Wie es aussieht, ist deine Mom nicht zu Hause.« Anzüglich zog er die Augenbrauen nach oben.
    In gewisser Hinsicht stimmte ich ihm zu. Ich hätte es bevorzugt, wenn weniger Tamtam um unser » Erstes Mal« gemacht würde – es einfach hinter mich zu bringen, schien mir die leichtere Option zu sein. Doch indes … ertappte ich mich dabei, wie ich sein Lächeln erwiderte und sagte: » Ich habe den ganzen Abend schon durchgeplant, Dex. Es sind nur noch ein paar Tage. Hab Geduld.«
    Er biss sich auf die Unterlippe. Ich konnte sehen, dass er am liebsten

Weitere Kostenlose Bücher