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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Himmels willen, ihre Bradykardie liegt bei sechsundzwanzig. Ich weiß nicht, wie es sein kann, dass sie immer noch bei Bewusstsein ist, wenn auch nicht mehr lange. Irgendjemand soll jetzt endlich diese Infusion legen.«
    Mehr Stiche. Ich wurde schwächer. Spürte, wie mein Körper übernahm, an meinem Bewusstsein zerrte. Es fühlte sich an, als würde ich ertrinken.
    Dann … » Was hat sie gesagt? Auf Deutsch, was hat sie da gesagt?«
    Jemand räusperte sich. » Sie hat ihren Namen gesagt, dass sie zwei Lebensunterhalte hat und dass Ethan ihr glauben muss. Dann flehte sie darum, dass er ihr glaubte. Oder irgend so etwas, es war gebrochenes Deutsch.«
    » Wie spät ist es?« Ethans Stimme. Sie klang nah und fern zugleich.
    » Genau Mitternacht. Warum?«
    Desorientierung und Schmerzen erreichten ihren Höhepunkt, als das letzte bisschen meiner Selbst den vollen Umfang des Schadens, den ich mir zugefügt hatte, zu spüren bekam. Trotzdem hörte ich ihn. Seine Stimme war dicht neben meinem Ohr, seine Hand drückte meine stärker als je zuvor.
    » Bleib bei mir, Sabine. Ich habe es gehört. Bleib bei mir!«
    Aber ich konnte nicht.
    Alles wurde schwarz.
    Was passiert, wenn man stirbt? Gehen wir irgendwohin?
    Ich kann nicht sagen, dass ich an die Himmelspforte glaube. Ich neige – kein Wunder, bei meinen Lebensumständen mit den zwei Welten – eher dazu, an irgendeine Art von Reinkarnation zu glauben – ein Knopfdruck und es geht wieder von vorne los. Das ist weitaus glaubwürdiger. Und weit weniger reizvoll – in einer Endlosschleife festzustecken.
    Einer Sache war ich mir jedoch ziemlich sicher. Der Tod brachte nicht das monotone Piepsen von Maschinen mit sich. Oder eine raue, brennende Kehle. Und übrigens auch keinen Körper, der sich anfühlte, als hätte ihn jemand Zentimeter für Zentimeter mit einem Fleischklopfer bearbeitet.
    Meine Hand fummelte an der Sauerstoffmaske herum. Ich hasste das Gefühl, dass etwas über mein Gesicht gestülpt war, auch wenn es da war, um mir zu helfen. Als ich meine Augen blinzelnd öffnete, wurde mein Gezappel noch verzweifelter.
    Ein Paar warme Hände legten sich auf meine. Sofort entspannte ich mich.
    Es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen angepasst hatten und den Besitzer dieser beruhigenden Hände erkannten.
    Ich glaube, ich hatte Mom erwartet. Sogar Dad.
    Als ob er das wüsste, fing er an zu sprechen. » Dein Dad war hier. Deine Mom konnte deine Schwester nicht allein lassen und mitnehmen wollten sie sie nicht. Er ist geblieben, bis du wieder stabiler warst, aber er … er musste gehen.«
    Ethan nahm mir vorsichtig die Sauerstoffmaske ab.
    Ich war so erschöpft, dass ich kaum meine Augen offen halten konnte, und ich verpasste Einiges von dem, was er sagte; seine Stimme drang nur hin und wieder in mein Bewusstsein. Aber allein sie zu hören half schon.
    » … solltest schlafen … Körper hat eine Menge durchgemacht … wenn wir nicht gewusst hätten, was du genommen hast … hatte solche Angst …«
    Wieder schlug ich die Augen auf. Eine seiner Hände bedeckte sein Gesicht und seine Schultern waren zusammengesackt.
    Ich schluckte ein paarmal, bevor ich sprechen konnte.
    » Glaubst du mir …?«, krächzte ich.
    Er seufzte. » Ich … ich habe deinen Vater gefragt, ob du Französisch kannst. Er sagte, du hättest noch nie in deinem Leben ein Wort Französisch gesprochen.«
    Ich spürte, wie Wut auf meinen Vater in mir aufloderte. » Mon père peut être un idiot«, flüsterte ich.
    Ethan lächelte grimmig. » Wie ich annehme, sind das keine Worte der Liebe.«
    » Non.«
    Ohne nachzudenken, hob ich den Arm, und meine Hand umschloss sein Gesicht. Seine Augen weiteten sich, aber er wich nicht zurück.
    » Ich brauche jemanden, der mich kennt«, murmelte ich. Bettelte ich. Denn beide wussten wir, dass er meine Frage noch immer nicht beantwortet hatte.
    » Warum?«, fragte er mit brechender Stimme.
    » Weil mich noch nie jemand gekannt hat.« Ich ließ meine Hand fallen.
    Ethan senkte den Blick, räusperte sich und sah mich wieder an. » Nach der nächsten Blutuntersuchung verlegen sie dich wieder nach unten in dein Zimmer. War es nur das Digoxin, das du genommen hast?«
    Er musterte mich eingehend, als ich nickte.
    » Und du fandest es sinnvoll, den Namen des Gegenmittels auf deinen Gips zu schreiben?« Seine Augenbrauen hoben sich ein wenig.
    » Ich will nicht sterben«, sagte ich und versuchte, mit der Schulter zu zucken.
    Er lachte kurz auf, aber dann umwölkte Trauer

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